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Peter Schlemihls wundersame Geschichte 11 +

nach Adelbert von Chamisso
von Gerald Maria Bauer und Sebastian von Lagiewski

Stückinfo

Ort: Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien
Zeitraum: 30. März 2022 - 01. Mai 2022
Premiere: 01. April 2022
Dauer: 02:35
Regie: Gerald Maria Bauer

»Allein zu sein! Drei Worte, leicht zu sagen,
und doch so schwer, so endlos schwer zu tragen.«

Adelbert von Chamisso

Irgendwann klopft bei allen das Glück an die Pforte, selbst dann, wenn man Peter Schlemihl heißt und das Leben es nicht immer gut mit einem gemeint hat! Ausgestattet mit nichts als einem x-beliebigen Empfehlungsschreiben in der Tasche, soll er das Glück dieser Erde finden! Unversehens in eine festliche Gesellschaft geraten, scheint das Blatt sich plötzlich zu wenden, als ein Fremder ihn ins Gespräch verwickelt. Zugegeben: Merkwürdig ist er schon, der hagere Herr im grauen Gehrock, aus dem er – ehe man es sich versieht – ein viel zu großes Fernrohr zaubert, ja sogar drei Pferde und ein ganzes Zelt dazu! Als er unserem Helden einen Tauschhandel anbietet, da muss er einfach zuschlagen: Den eigenen Schatten für einen nie versiegenden Geldsack herzugeben, das klingt doch wirklich zu schön, um wahr zu sein!
Stellt sich nur die Frage: Ist man dann wirklich noch der, der man einmal war? Denn mit einem Schlag ist alles anders: Die Leute erkennen rasch, dass mit dem unbekannten Jungen, dessen Reichtum sich schon herumgesprochen hat, irgendetwas nicht stimmt. Und so sehr er sich auch bemüht, erntet er doch nur Ablehnung und Entsetzen. Für Peter gibt es also nur eine Mission: In einer rasanten Reise rund um den Erdball muss dieser Fremde im grauen Gehrock gefunden werden, um den Handel schleunigst rückgängig zu machen!
Doch selbst als er der finsteren Gestalt erneut gegenübersteht, entkommt er einer Frage nicht: Was ist eigentlich das »Ich«, und wie sehr braucht man sein Gegenüber dazu, sich »selbst« zu erkennen? Und überhaupt: Muss man vor der Erkenntnis, anders zu sein als die anderen, wirklich immer Angst haben?
Mit der packenden Erzählung seines Peter Schlemihls brachte Adelbert von Chamisso eine Figur in die Weltliteratur, die Wissenschaftler*innen wie Kunstschaffende gleichermaßen bis heute fasziniert. Gelungen ist ihm eine zeitlose Geschichte, gespickt mit unerwarteten Wendungen, über Fragen, die jeden Menschen früher oder später einmal bewegen.


Aufführungsrechte: Theater der Jugend, Wien


Besetzung

Peter Schlemihl Marius Zernatto
Chamisso / Bendel / Ein Bettler Valentin Späth
Ein grauer Herr / Rascal Florian Stohr
Mina / Ein Schatten / Ein Schulkind Victoria Hauer
Herr John / Forstmeister / Ein Wirt / Ein Schatten / Ein Bauer Kaj Louis Lucke
Der Maler / Der Torfstecher / Schlemihls Schatten / Ein Schulkind Stefan Rosenthal
Schwester des Forstmeisters / Gast bei John / Frau mit Kopftuch / Ein Schatten Christine Tielkes
Der Bürgermeister / Schneider Uwe Achilles
Ein Diener / Ein Bauer / Ein Schulkind Jakob Pinter
In weiteren Rollen Ensemble
Swing Jakob Pinter
Regie Gerald Maria Bauer
Ausstattung und Lichtkonzept Friedrich Eggert
Dramaturgie Sebastian von Lagiewski
Assistenz und Inspizienz Simone Tomas
Hospitanz René Kmet

Kritiken

Wiener Zeitung – 13.04.2022

Schattenlos

Worin liegt die Faszination von "Peter Schlemihls wundersamer Geschichte"?

Die Geschichte eines jungen Mannes, der seinen Schatten verkauft für einen Geldsack, der nie leer wird. Auf den ersten Blick ein simpler Deal, wer braucht schon einen Schatten? Das Dilemma entfaltet sich erst nach und nach, als Peter Schlemihl, so der Name des Schattenverkäufers, als Sonderling geächtet wird. Der Schattenlose steht nicht ganz zu Unrecht im Verdacht, einen Bund mit dem Teufel abgeschlossen zu haben. Was nun?

Diese so einfache wie bestechende Idee verhandelt Adelbert von Chamissos bekannte Novelle "Peter Schlemihls wundersame Geschichte" aus dem Jahr 1814. Die Novelle nimmt kein gutes Ende und auch die Inszenierung von Gerald Maria Bauer im Renaissancetheater porträtiert gekonnt einen zunehmend verzweifelten Schlemihl.

Darstellerisch überzeugen Marius Zernatto in der Titelrolle und Victoria Hauer als Minna. Friedrich Eggerts Ausstattung zitiert die Zeit des Biedermeiers, inklusive Korkenzieherlocken (...)

Petra Paterno


Die Presse – 15.04.2022

Chamissos Story vom verlorenen Schatten

Doppelgänger, Elixiere des Teufels, eine unheimlichen Träumen gleichende „Realität“: Rund um den 25. Juni wird in dieser Zeitung einiges darüber zu lesen sein, da jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag des Romantikers E.T.A. Hoffmann. Einer, der in Berlin ab 1813 zu seinem literarischen Zirkel zählte, war der französische Naturforscher und Dichter Adelbert von Chamisso, Kind einer nach der Französischen Revolution geflüchteten Grafenfamilie. 1814 erschien sein bekanntestes Werk, „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“: über einen jungen Mann, der in der Not seinen Schatten verkauft, nicht ahnend, dass er damit in der Welt zum Paria wird.

Auch der Schatten ist ja eine Spielart der dunklen Doppelgänger, von denen es in der Romantik gewimmelt hat. Im Wiener Renaissancetheater wird er von einem eigenen Schauspieler verkörpert. Visuell berückend sind die Kulissen, sie werden den unheimlichen, zauberhaften Verrückungen der Realität gerecht, die sich dazwischen abspielen. Inmitten eines auch sonst guten Ensembles treibt ein fabelhafter Teufel (Florian Stohr) von aalglatter Eleganz mit dem geborenen Loser Schlemihl sein Spiel (der Name Schlemihl steht im Jiddischen für einen Pechvogel). Der Autor Chamisso wird hier als Teil der eigenen Geschichte zu Schlemihls Helfer; diese Verschachtelung verlangt nicht nur dem jungen Publikum einiges ab. Viel geht es hier ums Anderssein, die Kraft der Liebe und den Kampf für das Gute: (...) sehenswert (...)

Anne-Catherine Simon


Online Merker – 02.04.2022

WIEN / Renaissancetheater: PETER SCHLEMIHLS WUNDERSAME GESCHICHTE

Opernfreunde kennen Peter Schlemihl, den Mann ohne Schatten, selbstverständlich aus „Hoffmanns Erzählungen“, aber E.T.A. Hoffmann war nicht der Einzige, der diese sprichwörtliche Figur in sein Werk einfügte. Es war Adelbert von Chamisso, der den Pechvogel an sich (das versteht man unter dem Wort „Schlehmil“, das auf alte jüdische Tradition zurück geht) in seinem berühmten Kunstmärchen zu ewigem literarischem Leben verhalf.

Es geht darin um einen chancenlosen jungen Mann, der sich von einem „grauen Herren“ seinen Schatten gegen nie endenden Reichtum abkaufen lässt. Aber mit dem Schatten hat er etwas von sich preisgegeben, was ihn gewissermaßen vom Rest der Welt ausschließt – der Preis, den die Superreichen wohl bezahlen. Als der graue Herr schließlich noch seine Seele will, verschließt sich Schlehmil mit großer Tapferkeit dem Teufelspakt und wirft seinen Reichtum von sich. Schließlich eilt er in Siebenmeilenstiefeln um die Welt und betätigt sich als Naturforscher (wie sein Autor…). Dem Dichter Adalbert von Chamisso hat Schlehmil, wie er in der letzten Passage seines Ich-Berichts sagt, zum „Bewahrer meiner wundersamen Geschichte erkoren“.

Nun gibt es zu der Erzählung Briefe, in denen Chamisso mit Freunden über Schlehmil spricht, und das haben die Bearbeiter Gerald Maria Bauer und Sebastian von Lagiewski als Legitimation benützt, der Geschichte eine Rahmenhandlung zu geben – die eines Dichters, der quasi selbst in sein Werk „hineinsteigt“, um seinem Helden zu helfen, und dem manchmal (und das ist besonders reizvoll) auch die Handlung der Geschichte entgleitet und der sich selbst in Konfrontation mit dem Teufel findet… Diese Vielschichtigkeit hebt diese Dramatisierung vom schlichten „Schatten“-Märchen ab, zumal die Autoren mit Recht auch viel Wert darauf legen zu zeigen, was Geld (richtig viel Geld!) aus den Menschen macht.

Das erlebt der arme Schlucker Schlehmil erst am Benehmen eines unverschämten Superreichen, des Herrn John, aber auch daran, wie sich das Verhalten etwa eines groben Wirtes zu buckelnder Schleimerei pervertiert, wenn er Geld sieht. Aber Schlehmil lernt es auch an sich selbst, wie man sich verändert, wenn man alles kaufen kann…

Darüber hinaus geht es natürlich um Liebe (eine Romanze, allerdings ohne Happy End), geht es darum, dass ein anständiger Mensch sich letztlich doch nicht verbiegt und verkauft, geht es um die Standhaftigkeit, einem sehr lästigen Teufel zu widerstehen, geht es um die Einsamkeit, die am elegischen Ende steht. (...)

Gerald Maria Bauer hat selbst inszeniert, in einer an sich bescheidenen, aber geschickten Ausstattung von Friedrich Eggert, der auch für das Lichtkonzept des Abends zuständig ist – schließlich muss man die Schatten ja von Zeit zu Zeit zeigen, wenn es um einen Mann geht, der keinen mehr hat…

Der Abend des Theaters der Jugend besticht wieder einmal durch die Besetzung, wobei drei junge Männer in den zentralen Rollen glänzen, gewissermaßen einer besser als der andere – Marius Zernatto, der Idealtyp für den schüchternen, liebenswerten, letztlich vor allem grundanständigen Menschen, um den es geht.

Valentin Späth als zerrissener Dichter Chamisso, der sich in Schlehmils besten Freund und Diener Bendel verwandelt und so viel Ehrlichkeit und Anteilnahme ausstrahlt. Und schließlich Florian Stohr, dem man ohne weiteres den Teufel (und den intriganten zweiten Diener sowieso) glaubt.

Aber auch Kaj Louis Lucke in vielen Rollen (besonders nachdrücklich als der penetrante, reiche Herr John), Victoria Hauer als selbstbewusste Mira, der man ein Happy End gegönnt hätte, liefern in dem qualitätvollen Ensemble, das ununterbrochen gefordert ist (und sei es nur immer wieder als „Schatten“), eindrucksvolle Leistungen. Viel Beifall für einen überzeugenden Abend, der durch keinerlei sinnentleerte Verfremdung oder Modernisierung verärgerte, sondern sich einfach ganz auf sein Thema einließ.

Renate Wagner


KIJUKU Kinder Jugend Kultur und mehr – 04.04.2022

Ewiger Außenseiter kämpft um seinen verkauften Schatten

Das Theater der Jugend (Wien) bringt in seine Version von „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ auch dessen Autor, Adelbert von Chamisso, als Bühnenfigur ein.

Unglücksrabe, Pechvogel – sowohl als armer Schlucker als auch später, als er zu Reichtum gekommen ist. Das ist Peter Schlemihl und seine wundersame Geschichte. In nicht ganz zweieinhalb Stunden (eine Pause) wird das berühmte Märchen von Adelbert von Chamisso derzeit (bis 1. Mai 2022) sehr kurzweilig in einer eigenen Version im Renaissancetheater gespielt.

Gold gegen Schatten

Die Grundgeschichte: Durch einen „grauen Herren“, der alles Mögliche aus seinen (Mantel-)Taschen hervorzaubern kann, wird die Hauptfigur unerschöpflich reich. Wie viele Goldmünzen Peter Schlemihl auch immer aus dem Zauber-Lederbeutel zieht, der füllt sich immer wieder. Doch dafür musste er dem geheimnisvollen Herren seinen Schatten überlassen, den dieser zusammenrollt und in seine Tasche steckt.

Ach, was kümmert mich schon so (m)ein Schatten, war dessen Überlegung. Und würde es dir, mir oder sonst wem auffallen, dass da einer in der Welt (der ganzen Bühnenboden ist mit einer Weltkarte überzogen; Ausstattung und Lichtkonzept: Friedrich Eggert) unterwegs ist und keinen Schatten wirft? Das merkte selbst der bekannte Schriftsteller Thomas Mann in einer Besprechung einer neu illustrierten Ausgabe von Chamissos Märchen an (1910 im Berliner Tagblatt). „Wenn mir in der Sonne ein Mensch begegnete, der keinen Schatten würfe, – würde es mir auffallen? Und wenn es mir wirklich auffiele, würde ich nicht einfach im Stillen auf irgendwelche mir unbekannte optische Ursachen schließen, die die Entstehung eines Schlagschattens in diesem Falle zufällig verhindern? Gleichviel! Eben die Unkontrollierbarkeit und Unentscheidbarkeit dieser Frage ist das treibende Motiv, der eigentliche Witz und Einfall des Buches, und die Voraussetzung zugegeben, so ergibt alles sich mit erschütternder Folgerichtigkeit.“

Schatten = Seele

Wobei Chamisso (1781 bis 1838) schnell seinen Peter (das Jiddische schlemiel steht für ungeschickte Person, unschuldiges Opfer von Streichen und kommt möglicherweise aus dem Hebräischen šęlęm das für „Opfer/Dankopfer“ steht) auf verschiedene Menschen treffen, die vor ihm die Flucht ergreifen: Wer keinen Schatten werfe, habe keine Seele, sei also zu meiden. Diese eng(st)e Verbindung Schatten und Seele zieht sich durch viele (religiöse) Vorstellungen und Kulturen. Teils gilt es auch als Teil des Menschen, ohne den dieser nicht ganz ist – Licht und Schatten fast wie Yin und Yang.

Wie auch immer, Peter Schlemihl (Marius Zernatto) ist frisch wieder unglücklich, Außenseiter, wenngleich er mit seinem Reichtum sich angenehmerer Lebensumstände schaffen kann. Aber einsam, wenngleich er sich Diener leisten kann. Den treuen Bendel aus dem Original macht die Version des Theaters der Jugend von Gerald Maria Bauer und Sebastian von Lagiewski zu einer Figur mit einem Zweitleben – den Autor Adelbert von Chamisso (Valentin Späth) selbst, der dem Peter Schlemihl irgendwie beschützen und behüten will. Als Gegenspieler hat er jedoch den zweiten Diener Rascal, der von Florian Stohr durchtreiben hinterhältig gespielt wird, der auch – anfangs sehr distanziert, gegen Ende extrem fordernd – den grauen Herren und damit natürlich den Teufel spielt.

(...) Als einzige nennenswert in Erscheinung tretende Frauenfigur erleben wir immer wieder selbstbewusst Victoria Hauer als Mina, die sich nicht mit der arrangierten ehe ihres Vaters abfinden will und als Krankenschwester, aber auch eines der Schulkinder. Sowie als einen der Schatten. DEN Schatten schlechthin, jenen von Schlemihl, spielt Stefan Rosenthal, unter anderem.

Schatten spielen

Die auftretenden Schatten sind keine solchen, sondern wie eben genannt Schauspieler:innen. In Materialien des Theaters der Jugend zum Stück erklärt Lichttechniker Fritz Gmoser: „Bei dieser Produktion standen wir vor der Aufgabe, die Schatten von Darsteller*innen für das Publikum sichtbar zu machen. Die Lösung war eine Folie an der hinteren Bühnenwand, die von hinten beleuchtet wird. Davor wurde ein Netzvorhang gespannt. Die Darsteller*innen, die sich zwischen dieser Folie und dem Netz befinden, werden für das Publikum nur noch als schwarze Schatten sichtbar.“

Empathischer Kämpfer

Natürlich holt sich Schlemihl seinen Schatten zurück, auch wenn er sich nicht auf den Handel mit dem Teufel einlässt. Seinen Befreiungsmoment erlebt er als er sich von seinem Reichtum trennt und den magischen Beutel weit von sich wirft. Und trotz der starken Moral von der Geschichte wirken die zweieinhalb Stunden nicht lehrmeisterlich mit erhobenem Zeigefinger. Wie schon das Original erleben wir einen Außenseiter, der trotz widrigster Umstände nicht aufgibt und ständig um sein Seelenheil kämpft – und dabei immer mit viel Empathie seinen Mitmenschen begegnet, aber auch standhaft und hart bleibt, wo es nötig ist.

Gemutmaßt wird häufig, dass Chamisso diese Geschichte vor dem Hintergrund dessen verfasst, dass er als gebürtiger Franzose der in Deutschland lebte, weder von den einen noch von den anderen voll akzeptiert worden ist, sich nirgends wirklich heimisch fühlte.

Follow@kiJuKUheinz

Heinz Wagner


Materialien

Unsere theaterpädagogischen Materialien zu »Peter Schlemihls wundersame Geschichte« bieten Ihnen Informationen, Fragebögen, Spiele und Szenenvorschläge! So können Sie die besuchte Aufführung mit Ihrem Kind oder Ihrer Klasse auf fantasievolle Weise vor- und nachbereiten.
Klicken Sie hier://www.tdj.at/fileadmin/tdj/Theaterpaedagogik_Input/Input_TdJ_Peter_Schlemihl.pdf um die Materialien herunterzuladen.

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