2020/2021
Tom & Huck 6 +
nach Mark Twain
von Clemens Pötsch und Felix Metzner
Stückinfo
Ort: | Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien |
---|---|
Zeitraum: | 26. Mai 2021 - 27. Juni 2021 |
Premiere: | 26. Mai 2021 |
Dauer: | 02:00 |
Regie: | Felix Metzner |
»Mit einem Kind, das nie Quatsch macht, soll man
Christine Nöstlinger
schleunigst zum Psychologen gehen.«
Nie um einen Streich verlegen und ausgestattet mit einem unwiderstehlichen Charme! So gelingt es dem quirligen Tom Sawyer immer wieder, die strengen Regeln von Familie und Schule zu umgehen. Auch seine energische Tante Polly kann ihrem Schützling nie zu lange böse sein, wenn er sich wieder einmal mit seinen smarten Ausreden um die Arbeit drückt – oder noch besser: wenn er sich von seinen Altersgenossen für deren geleistete Hilfe bezahlen lässt! Und überhaupt: Ein klein wenig Flunkern hat noch niemandem geschadet. Eines jedoch steht für Tom fest: Die Freundschaft zur geächteten Außenseiterin Huck lässt er sich von niemandem verbieten, auch wenn die Ankunft der neuen Mitschülerin Becky aus New York einiges auf den Kopf stellt.
Doch eines Tages wird aus ihren gemeinsamen Abenteuern schlagartig bitterer Ernst. Denn sie werden Zeugen eines schrecklichen Verbrechens, in dem sonst so langweiligen St. Petersburg am Mississippi. Plötzlich stehen sie vor einer schwierigen Entscheidung: Können sie ruhigen Gewissens den unbeschwerten Ausweg wählen, wenn das Leben eines Unschuldigen von ihrem Handeln abhängt? Die Zeit drängt, und bald schon wird nicht nur ihre Freundschaft auf eine veritable Zerreißprobe gestellt.
Mark Twain schuf mit seinem wohl berühmtesten, 1876 veröffentlichten Roman eine bewegende Geschichte über Loyalität, Gewissen und Gerechtigkeit und rückte dabei gerade jene Menschen in den Mittelpunkt, die auch heute viel zu oft übersehen werden. Die neue Fassung von Clemens Pötsch und Felix Metzner versetzt die weltbekannten Charaktere in die USA der 1960er Jahre und rückt so Fragen ins Zentrum, die uns heute mehr beschäftigen denn je.
Aufführungsrechte: Theater der Jugend, Wien
Besetzung
Tom Sawyer | Stefan Rosenthal |
Finnea Huckleberry, genannt "Huck" | Victoria Hauer |
Becky Thatcher | Runa Schymanski |
Tante Polly | Henriette Heine |
Sheriff Thatcher | Jürgen Heigl |
Joseph Nadini | Wolfgang Seidenberg |
Muff Potter / Pfarrer | Frank Engelhardt |
Miss Harper / Dorothy Robinson / Ingeneurin | Isabelle von Stauffenberg |
Alfred Temple / Wachmann / Nachrichtensprecher | Jasper Engelhardt |
Sgt. Clemens | Uwe Achilles |
in weiteren Rollen | Ensemble |
Regie | Felix Metzner |
Bühne | Andreas Lungenschmid |
Kostüme | Andrea Bernd |
Licht | Lukas Kaltenbäck |
Dramaturgie | Clemens Pötsch |
Assistenz und Inspizienz | Simone Tomas |
Hospitanz | Viktoria Klampfl |
Kritiken
Die Presse – 30.05.2021Ein Krimi ums Atomkraftwerk
Bei seiner eigenen Beerdigung dabei zu sein das muss man erst einmal schaffen. Tom Sawyer, Finnea Huckleberry und Sheriffstochter Becky gelingt das. Denn sie haben nur vorgetäuscht, ertrunken zu sein, indem sie ihre Jacken in den Mississippi River geworfen haben. Warum sie das tun? Sie haben einen Mord beobachtet und müssen jetzt untertauchen, damit sie nicht selbst ins Jenseits befördert werden. Der Mörder ist nämlich ein gefinkelter Geschäftsmann namens Nadini, der Direktor des neuen Atomkraftwerks in St. Petersburg. Und die Tote ist eine Enthüllungsjournalistin, die seine üblen Machenschaften aufdecken wollte (verstrahltes Grundwasser, das zu Missernten und zu Kälbern mit zwei Köpfen führt). Im selbst gewählten Exil auf Jackson Island kommt es dann unter den drei Freunden zur Zerreißprobe: Wagen sie sich aufs Festland zurück, um den Mörder zu entlarven? Andernfalls wird der etwas einfältige Muff Potter ins Gefängnis wandern...
Dreierbande.
"Es ist immer der richtige Zeitpunkt, um das Richtige zu tun" dieses Zitat von Martin Luther King (einem bekannten Bürgerrechtler) hat sich das Stück von Clemens Pötsch und Felix Metzner zum Motto genommen. Es beruht auf einem berühmten Buch, "Tom Sawyer und Huckleberry Finn" von Mark Twain, hat aber mit dem Original außer den
Figuren nicht viel zu tun. Trotzdem ist es ein sehr gelungenes Stück: Es ist bis zum letzten Moment spannend (die Kinder verhindern einen Unfall im Atomkraftwerk) und auch berührend. Weil alle drei Kinder kein leichtes Leben haben (alle sind Halb- oder Vollwaisen, Finnea wird von ihrem Vater geschlagen) und sich dennoch für das Gute einsetzen. Und weil sie zu einer eingeschworenen Dreierbande zusammenwachsen. Dass es nach der Premiere viel Applaus gibt, hat auch mit den tollen Schauspielern zu tun: Stefan Rosenthal ist ein charmantverwegener Tom Sawyer, Victoria Hauer (als Finnea Huckleberry) spielt sehr glaubwürdig ein Mädchen, das immer wieder von den Erwachsenen enttäuscht wurde. Und Runa Schymanski ist eine sehr aufgeweckte Becky Thatcher.
Daniela Tomasovsky
Wiener Zeitung – 29.05.2021
Tom Sawyer im Atomkraftwerk
Theater der Jugend: Neue Adaption behandelt sehr viel ernsten und wichtigen Stoff.
Die Grundzüge sind bekannt: Der Waise Tom Sawyer, der bei seiner Tante Polly lebt und jeden Streich mit Charme und Witz übertüncht, findet sich plötzlich mit seinem besten Freund, dem Herumtreiber Huckleberry Finn, auf der Flucht, weil sie Zeugen eines Mordes geworden sind, den der Täter einem Einfaltspinsel in die Schuhe schiebt. Mark Twain hat diese Geschichte 1876 veröffentlicht und damit für Furore gesorgt. Clemens Pötsch und Felix Metzner siedeln sie nun in ihrer Adaption für das Theater der Jugend knapp 100 Jahre später an, eingebettet in eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Aufbruchstimmung zwischen Mondlandung und Atomkraft-Hype. Passend dazu entführen Bühnenbild, Kostüme und Begleitmusik in die Sechzigerjahre. Und während im Hintergrund Elvis Presley rockt, spielt sich vorne ein echter Thriller ab, in dem drei Kids aus drei weiten (Ober-, Mittel- und Unterschicht) auf sich allein gestellt sind, während ihre Freundschaft und Loyalität auf eine harte Probe gestellt werden. (...)
Ungleichheit, Grundrechte und Diskriminierung
Die beiden größten Unterschiede zum Original: Erstens ist Huck hier ein Mädchen (wodurch die Figur aufgrund der unweigerlich gegenüber Sheriff-Tochter Becky aufkommenden Eifersucht mehrere Rollen, die man aus anderen
Inszenierungen kennt, auf sich vereinigen kann). Zweitens spielen wesentliche Teile der Handlung in einem AKW, in dem es im (etwas übertriebenen) Finale furioso fast zum Super-GAU kommt. Abseits dieses Umweltthemas beackern
Pötsch und Metzner noch viele andere ernste und wichtige Felder: Soziale Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Diskriminierung, Zivilcourage, Integration, Kindesmisshandlung, Grundrechte - das sind die großen Themen, zu denen sich die bereits erwähnte Eifersucht, Egoismus, Freundschaft, Familie, Loyalität und Gender-Klischees gesellen.
Stoff genug also für zwei Stunden, die selbst mit FFP2-Maske allzu rasch vergehen. Das Schöne an der Inszenierung ist, dass man mit zunehmendem Alter desto mehr Zwischentöne heraushört. So haben auch Erwachsene etwas davon, zumal das Ensemble auf ganzer Linie überzeugt.
Mathias Ziegler
Der Standard – 01.06.2021
"Tom & Huck": Mark Twains auffrisierter Abenteuergeist
Das Theater der Jugend verpasst Markt Twains Klassiker einen zeitgenössischen Anstrich – Gender-Wechsel inklusive
Mark Twains Bubengespann Tom Sawyer und Huckleberry Finn lässt sich für jede Generation mühelos neu entdecken. Nicht nur sind die Abenteuer der Sozialrebellen archetypisch, auch die den Romanen eigene Moral, dass sich das Recht über den Umweg des Abweichlertums durchsetzt, hat die Zeit überdauert. Für ältere Semester war die TV-Serie aus den 1970er-Jahren eine Einstiegshilfe in Twains Südstaatenwelt, das Theater der Jugend versucht Ähnliches nun im Renaissancetheater mit Tom & Huck zu leisten – in der Bearbeitung von Clemens Pötsch und Felix Metzner jedoch mit deutlichen aktuellen Anpassungen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Huck ist in Metzners Inszenierung ein Tomboy mit Elvis-Tolle (Victoria Hauser). Wild und unangepasst, den Finger lose an der Steinschleuder, gibt sie dem Tachinierer Tom (Stefan Rosenthal) den Ton an. Als drittes Rad am Wagen wirkt die Sherifftochter Becky (Runa Schymanski) rein äußerlich adrett, entpuppt sich aber als eherne Verfechterin von Bürgerrechten. Das Trio wird per Zufall zum Zeugen der sinistren Machenschaften des mächtigsten Mannes in St. Petersburg, Joseph Nadini, ein schmieriger Mafioso (Wolfgang Seidenberg), den es Gott weiß wie in dieses Eck verschlagen hat.
(...) Unbeirrt von dem Übergewicht der Themen bewegt sich das Ensemble auf der hübsch reduzierten Bühne (Andreas Lungenschmid) flott bis zur Twain’schen Schlüsselszene, bei der die Rabauken ihr eigenes Begräbnis sprengen.
Dominik Kamalzadeh
kijuku.at – 03.06.2021
Zwei Klassiker erleben Zeitreisen: „Tom & Huck“ sowie „Krieg der Welten“
Theater der Jugend eröffnete Rumpf-Saison mit Adaptierungen alter, bekannter Romane und Stoffe.
Mit zwei hauseigenen Zeitreise-Adaptierungen klassischer Roman startete das Wiener Theater der Jugend seine Nach-Corona-Rumpfsaison sowohl für Jugendliche als auch für Kinder – und Erwachsene.
Mark Twains Klassiker über die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn sind in einer Bearbeitung samt Zeit- und Personen-Versetzung im größeren der beiden Häuser des Theaters der Jugend zu sehen. Regisseur Felix Metzner und Dramaturg Clemens Pötsch lassen die Geschichte rund 100 Jahre später, in den 1960ern spielen – für Kinder genauso weit weg wir für deren Eltern das Original-. Für Letztere, oder viel mehr die Großeltern Erinnerungen an die eigene Jugend: Elvis Presley, Wettlauf ins Weltall und Atomkraft.
Die noch viel größere – und von Kindern lichter nachvollziehbare Änderung: in Tom & Huck ist letztere Finnea, also ein Mädchen. Ein zwar durch väterliche Gewalt verletztes, aber auch eine sehr selbstständige Jugendliche (Victoria Hauser). Tom (Stefan Rosenthal) ist der Streiche spielende Lauser, der am ehesten dem original nahekommt. Denn auch die zugewanderte Tochter des neuen Sheriffs, Becky (Runa Schymanski) erfährt eine kräftige Wandlung. Sie bringt aus der Stadt die in den 1960ern aufkommende Bürgerrechtsbewegung mit, tritt gegen Diskriminierung und für Menschenrechte ein und auf.
Die Kriminalhandlung wegen deren Beobachtung das Trio untertauchen muss, ist in dem Fall der Mord des AKW-Bosses (Wolfgang Seidenberg), der die Abfälle illegal und gefährlich entsorgt, an einer Journalistin (Isabelle von Stauffenberg). Und zu guter Letzt müssen die drei Kinder noch die Welt vor einem fürchterlichen AKW-Unfall bewahren – mit Anklängen an Tschernobyl – das sich allerdings mehr als 20 Jahre später abspielte.
Das Spiel des Trios Tom/Huck/Becky überzeugt – vom Widerstand in der Schule gegen die Lehrerin, eine Protopypin schwarzer Pädagogik, über wechselnde Eifersüchteleien bis zum Zusammenraufen und dem Agieren als Team bei der Rettung der Welt. (...)
Heinz Wagner
Materialien
Unsere theaterpädagogischen Materialien zu »Tom & Huck« bieten Ihnen Informationen, Fragebögen, Spiele und Szenenvorschläge! So können Sie die besuchte Aufführung mit Ihrem Kind oder Ihrer Klasse auf fantasievolle Weise vor- und nachbereiten.
Klicken Sie hier://www.tdj.at/fileadmin/tdj/Theaterpaedagogik_Input/Input_Tom%26Huck_final.pdf um die Materialien herunterzuladen.
Bei eventuellen Fragen und für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an [YjY0dGFnOmp1bGlhLndlaW5nYXJ0bmVyQHRkai5hdA==].