2018/2019
Frankenstein 11 +
nach Mary Shelley
von Clemens Pötsch
Stückinfo
Ort: | Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3 |
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Zeitraum: | 25. April 2019 - 22. Juni 2019 |
Premiere: | 30. April 2019 |
Dauer: | 01:55 |
Regie: | Felix Metzner |
»Ich war nicht einmal von derselben Art wie die Menschen.«
»Du bist zwar mein Schöpfer,
Mary Shelley. Frankenstein
aber ich bin jetzt dein Herr, gehorche also!«
Eisige Schauer sind garantiert, wenn sich die Tür zu Victor Frankensteins geheimem Labor öffnet. Denn dort gelingt dem jungen Studenten das, woran sich Forschung und Industrie bis heute die Zähne ausbeißen: die Erschaffung menschlichen Lebens aus toter Materie. Doch das lang herbeigesehnte Ziel entpuppt sich in der Realität schnell als Albtraum. Entsetzt über das Ergebnis seiner Experimente verstößt Victor die Kreatur, die er erschuf.
Hilflos und vollkommen auf sich allein gestellt führt deren verzweifelte Suche nach menschlicher Wärme und Zuneigung nur zu Ablehnung, Chaos und Leid. Wenn sie von den Menschen eines lernen konnte, so ist es der Hass. Und dieser richtet sich bald gegen den eigenen Schöpfer. Als sich die beiden schlussendlich gegenüber stehen, muss Victor erkennen, dass seine wissenschaftliche Arbeit viel weitreichendere Folgen hat als er jemals ahnen konnte. Konfrontiert mit seinem eigenen Handeln stellt sich die Frage, wer eigentlich das wahre Monster ist.
Mary Shelleys bahnbrechender Roman erschien vor 200 Jahren und benennt jene Probleme, die uns in Zeiten von Gentechnologie und künstlicher Intelligenz mehr denn je beschäftigen: Wozu ist die Wissenschaft in der Lage – und wo liegen ihre ethischen Grenzen? Kann und soll die Forschung Naturgesetze außer Kraft setzen, um den Tod endgültig zu besiegen? Welche Konsequenzen erwarten uns, wenn der vermeintlich »perfekte Mensch« künstlich geschaffen werden kann? Welchen Vorstellungen und Ansprüchen soll eine solche Lebensform genügen? Was bedeutet es überhaupt, ein Mensch zu sein? Denn im Herzen ist der moderne Mythos von Victor Frankenstein und seinem Monster weit mehr als eine Warnung vor den Gefahren maßlosen Forschungsdrangs. Es ist die Geschichte eines Außenseiters, der sich in einer Welt zurechtfinden muss, die ihm mit Ausgrenzung und Unverständnis begegnet.
Aufführungsrechte: Theater der Jugend, Wien
Besetzung
Victor Frankenstein | Jürgen Heigl |
Das Monster | Stefan Rosenthal |
Justine Frankenstein, Victors Schwester | Christina Constanze Polzer |
Elisabeth Lavenza, Victors Freundin | Eva Dorlass |
Alphonse Frankenstein, Victors Vater | Uwe Achilles |
Del / Lieutenant Kirwin | Rafael Schuchter |
Dr. Walton | Daniel Jeroma |
In weiteren Rollen | Ensemble |
Regie | Felix Metzner |
Bühne | Andreas Lungenschmid |
Kostüme | Andrea Bernd |
Licht | Lukas Kaltenbäck |
Kampfcoach | Martin Woldan |
Dramaturgie | Gerald Maria Bauer |
Assistenz und Teilinspizienz | Clemens Pötsch |
Zweite Regieassistenz | Kyra Lisa Peters |
Teilinspizienz | Clara Rybaczek |
Kritiken
Wiener Zeitung – 10.05.2019Unter Maschinenmenschen
Der Untertitel von Mary Shelleys 1818 erschienenem Roman "Frankenstein" lautet "Der moderne Prometheus". Diesen kaum bekannten Umstand nimmt Theater-der-Jugend-Dramaturg Clemens Pötsch zum Ausgangspunkt für eine sehr freihändige, gleichwohl stimmige Bearbeitung des altbekannten Stoffes.
In Pötschs Fassung ist Frankenstein kein aus Leichenteilen montiertes Monster, sondern ein Humanoide, ein Wesen von künstlicher Intelligenz, das ein wenig außer Kontrolle gerät. Stefan Rosenthal verkörpert diesen Prometheus des 21. Jahrhunderts, von seinem Schöpfer "Prototyp Alpha" genannt, mit Grandezza.
Das Stück ist folgerichtig nicht im 19. Jahrhundert, sondern im Jahr 2065 angesiedelt. Endzeitstimmung sowie Bühnenausstattung von Andreas Lungenschmid erinnern an dystopische TV-Serien wie "Der Report der Magd". Prototyp Alpha setzt seine enormen Kräfte, er kann mit Computern kommunizieren, schließlich für den Widerstand ein.
Felix Metzner gelingt mit seinem Regiedebüt in der Jugendtheater-Spielstätte Theater im Zentrum eine kraftvolle Umsetzung für ein Publikum ab elf Jahren. Zwei Stunden Spannung.
Petra Paterno
Der Standard – 01.05.2019
"Frankenstein" im Theater der Jugend: Flott, bunt blinkend, dystopisch
Die Geschichte spielt in einem Überwachungsstaat nach dem Klimakollaps
(...) Victor Frankenstein (Jürgen Heigl) will einen neuen Menschen erschaffen, einen in jeder Hinsicht optimierten ohne Triebe und Fehler. Er meint es gut.
Doch auf halbem Weg geht der Computer kaputt, und ein unausgegorener Prototyp (Stefan Rosenthal) stakst aus dem Brutkasten. Dank eingespeister Software kann das Wesen das Wörterbuch aufsagen, es gerät aber bald außer Kontrolle. Der naive Victor ist von der Kreatur entsetzt und will sie töten. Sie ist stärker und entkommt.
Doch sonst ist in der für Publikum ab elf Jahren aufbereiteten Fassung im Theater der Jugend vieles neu. Die Handlung spielt ein paar Jahrzehnte in der Zukunft und verpflanzt die Geschichte in eine dystopische Welt: Aus dem Originalschauplatz Genf wird New Geneva.
Überwachungsstaat
Ein Konzil hat in der Megastadt vor ein paar Jahrzehnten die Herrschaft übernommen. Es gibt Ausgangssperren und Identifikationschips, auf der Straße patrouillieren Wachen, ein Social-Credit-System bilanziert das Wohlverhalten der Bewohner. Zu essen gibt es Flüssigpizza – als Innovation verkauft, soll sie tatsächlich einen Mangel an Nahrungsmitteln kompensieren, denn seit der Erderwärmung wachsen keine Tomaten mehr.
Zuwiderhandelnde werden aus der Stadt verbannt. In diesem Untergrund formiert sich Lumpen tragender Widerstand. Das Monster trifft auf Victors Schwester (Christina Polzer). Zu allem Überfluss ist Vater Frankenstein (Uwe Achilles) aber ein hohes Tier im Konzil.
Der Regisseur Felix Metzner strickt daraus einen flotten und technoid blinkenden Abend. Möglich, dass die engagierten 90 Minuten einige Greta Thunbergs rekrutieren – sie zeigen genügend Baustellen auf.
Michael Wurmitzer
KinderKurier – 04.05.2019
Wo "Monster" mehr Verantwortung zeigen als ihre Schöpfer
Genial, wie Stefan Rosenthal das "Monster" in der jüngsten Theater-der-Jugend-Produktion "Frankenstein" spielt. Ein Mix aus völlig fremdem Wesen und irgendwie auch Kleinkind – in seinen Bewegungen zu Beginn. Die klassische Geschichte von Mary Shelley (1818) wird in der Version von Clemens Pötsch (Regie: Felix Metzner) ins Jahr 2065 verlegt.
Entwicklung
Die Allmachtsphantasie des experimentierfreudigen Wissenschafters Victor Frankenstein (Jürgen Heigl), ein neues Wesen zu schaffen, das sich dann zu einem Monster verselbstständigt, wird in dieser futuristischen Dystopie globaler angelegt. Und das "Monster" macht eine Entwicklung durch, übernimmt mitunter mehr Verantwortung als sein Schöpfer – und wenn es diesem "nur" den Spiegel seiner Taten und Geisteshaltung vorhält.
Daten
So manches der dystopischen Vorstellung in der Welt in 45 Jahren – totale Überwachung aller Bürger_innen – ist heute schon teilweise Realität, bis hin zu dem in China in einigen Regionen derzeit getesteten Social Credit System. Viele, die meisten Daten geben wir mit jedem Einschalten unserer Smartphones, mit Einkäufen über Kundenkarten usw. "freiwillig" weiter.
"Schöne neue Welt"
Auf einer Bühne, die ein wenig wie ein mit Chips und Platinen umgebener Tunnel wirkt, herrscht der alte Alphonse, Victor Frankensteins Vater (Uwe Achilles). Wer nicht für das System in New Geneva, der neuen schönen Welt nach der Klimakatastrophe, ist, wird ins Abseits, in düsterste Wildnis abgeschoben. Die allerdings auch den Vorteil hat, noch nicht total überwacht zu sein.
Widerstand
Weshalb sich auch schlaue widerständische Köpfe wie Justine, Victor Frankensteins Schwester (Christina Constanze Polzer), hierher durchschlagen. Bei ihnen landet auch das "Monster", das die große Widerstandsaktion durch naive Tollpatschigkeit zu gefährden droht. Im Widerstand gegen die Herrschaft der totalen Überwachung fällt auch der wunderbare Spruch von Hanna Arendt: "Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen."
Heinz Wagner
Materialien
Unsere theaterpädagogischen Materialien zu »Frankenstein« bieten Ihnen Informationen, Fragebögen, Spiele und Szenenvorschläge! So können Sie die besuchte Aufführung mit Ihrem Kind oder Ihrer Klasse auf fantasievolle Weise vor- und nachbereiten.
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