2018/2019
Der kleine Lord 6 +
nach Frances Hodgson Burnett
von Gerald Maria Bauer und Sebastian von Lagiewski
Stückinfo
Ort: | Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien |
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Zeitraum: | 01. Dezember 2018 - 22. Januar 2019 |
Premiere: | 04. Dezember 2018 |
Dauer: | 02:15 |
Regie: | Gerald Maria Bauer |
»Ungerechtigkeit an irgendeinem Ort bedroht die Gerechtigkeit an jedem anderen.«
Martin Luther King
Kleiner Junge mit großem Herzen – So würden die zahlreichen Freunde, die er mit seinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn für sich gewinnen konnte, den achtjährigen Cedric Errol wohl beschreiben. Allen voran sein allerbester Freund, der Gemischtwarenhändler Mr. Hobbs, bei dem er fast täglich vorbeischaut, um einen Keks abzustauben oder ein wenig über Politik, Revolution und die Ausbeutung der Unterprivilegierten zu diskutieren.
Als Halbwaise in einem ärmlichen Arbeiterbezirk aufgewachsen, ist für Cedric eines gewiss: Wenn er groß ist, wird er ein Politiker, der sich für Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzt – und dies, ginge es nach Mr. Hobbs, gleich als Präsident der Vereinigten Staaten.
Umso größer ist die Überraschung, als ihn plötzlich eine folgenschwere Nachricht erreicht. Sein bislang unbekannter Großvater, der unfassbar reiche John Arthur Molyneux Errol, zwingt ihn, als zukünftiger Erbe eines großen Vermögens in seine Fußstapfen zu treten. Bei ihm angekommen soll Cedric lernen, wie man sich als Angehöriger der wohlhabenden Oberschicht zu verhalten hat. Schnell wird allerdings klar, dass ihre Vorstellungen von Recht und Unrecht drastisch auseinanderklaffen.
Wird es dem frisch gebackenen Millionenerben gelingen, den ebenso reichen wie hartherzigen alten Mann zu erweichen und an seine soziale Verantwortung zu erinnern? Kein einfaches Unterfangen, zumal der alte Griesgram nicht das einzige Hindernis ist, welches es zu überwinden gilt.
Frances Hodgson Burnetts Kinderbuchklassiker erweist sich als empathischer Appell für soziale Gerechtigkeit und den verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Privilegien, lernte die Autorin doch selbst beide Seiten der Medaille kennen, als die einst wohlhabende Familie nach dem Tod des Vaters zunehmend verarmte.
Aufführungsrechte: Theater der Jugend, Wien
Besetzung
Cedric Errol | Niklas Doddo |
Emily Errol, seine Mutter | Pia Baresch |
John Arthur Molyneux Errol, Earl of Dorincourt, Cedrics Großvater | Florian Stohr |
Mr. Havisham, die rechte Hand des Earls | Matthias Mamedof |
Mrs. Mellon, Hausdame des Earls | Sabrina Rupp |
Mr. Hobbs, Ladenbesitzer | Frank Engelhardt |
Dick Tipton, Zeitungsausträger | Marius Zernatto |
Minna Tipton | Aline-Sarah Kunisch |
Tom Tipton, ihr Sohn | Sabrina Rupp |
Mr. Higgins, ein Vorarbeiter | Frank Engelhardt |
Apple-Annie, eine Marktstandbetreiberin | Aline-Sarah Kunisch |
Ein Reitlehrer | Marius Zernatto |
Regie und Bühne | Gerald Maria Bauer |
Kostüme | Andrea Bernd |
Licht | Christian Holemy |
Dramaturgie | Sebastian von Lagiewski |
Bühnenbildassistenz | Diana Zimmermann |
Assistenz und Inspizienz | Clemens Pötsch |
Hospitanz | Joshua Mallek |
Kritiken
KinderKurier – 05.12.2018Wer im Geld schwimmt, soll anderen helfen
"Der kleine Lord" als Plädoyer für soziale Verantwortung gegen geizige Gier im Theater der Jugend in Wien.
Ohne je rührselig oder gar kitschig zu werden, erzählt „Der kleine Lord“ derzeit im Renaissancetheater, der großen Bühne des Wiener Theaters der Jugend, eine Geschichte, in der durchgehend das Gute siegt, in der Gefühl wichtiger sind als Geld und Solidarität über Gier gewinnt.
(…) Cedric steigt der unerwartete Reichtum ganz und gar nicht zu Kopf, er bleibt herzlich und mitfühlend – zur Freude des herrschaftlichen Personals, zum anfänglichen Missvergnügen des Griesgrams, der nichts teilen will. Wozu der Reichtum, wenn man nicht anderen unter die Arme greifen will oder kann, fragt der Bursch. Der Alte will's nicht verstehen, beginnt aber nach und nach doch Gefühle – zumindest vorerst für den Enkel – zu entwickeln.
Die Autorin: reich - arm - reich
Das Stück (Regie: Gerald Maria Bauer) baut auf dem Roman von Frances Hodgson Burnett auf (Fassung: der Regisseur und Sebastian von Lagiewski). Die Autorin wurde 1849 im englischen Manchester in eine wohlhabende Familie geboren, die nach dem Tod des Vaters verarmte. Die Familie wanderte in die USA aus, wo sie ein Onkel aufnahm, der allerdings auch bald verarmte. Burnetts Erzählungen, erst abgedruckt in Zeitschriften, später als erfolgreiche Bücher, brachten ihr wieder Wohlstand, ja sogar Vermögen ein. So kannte sie beide Seiten.
Und beide Seiten werden von den Schauspieler_innen gut und glaubhaft verkörpert, auch jenen, die jeweils zwei gegensätzliche Rollen spielen und so zwischen beiden Seiten switchen müssen/dürfen. Da ist Aline-Sarah Kunisch als Apple-Annie, eine Obstverkäuferin, deren Marktstand bedroht ist, und als sehr tussihafte Minna Tipton, die sich als vermeintliche Schwiegertochter des Earls ausgibt. Oder ihr nerviger, quälgeistiger Sohn Tom, den Sabrina Rupp ebenso überzeugend spielt wie die Haushälterin des Earls, die aufzublühen beginnt, als Cedric Leben in das Schloss bringt.
Niklas Doddo als Cedric Errol bleibt bodenständig, herzlich und gefühlvoll, lässt sich auch durch das mit Spielsachen vollgeräumte Kinderzimmer im Schloss nicht korrumpieren, sondern teilt viele der Spielsachen mit den Kindern der mies behandelten Forstarbeiter des Earls. Wobei vieles der extremen Ausbeutung auf das Konto des Mr. Havisham geht. Matthias Mamedof verleiht diesem schon bei seinem ersten Auftritt eine Ahnung davon, dass in ihm eher Hinterhältiges steckt.
Sympathisch und als echte Freunde legen Frank Engelhardt den Ladenbetreiber Mr. Hobbs und Marius Zernatto den Zeitung austragenden Mitschüler Cedrics, Dick Tipton in den USA an. (…) Als Vorbild für eine eigen- und selbstständige Frau, die sich auch nicht kaufen lässt - selbst unter schwierigsten Bedingungen - legt Pia Baresch Cedrics Mutter Emily an.
Junger als großartiger Alter
Großartig ist vor allem Florian Stohr, der obwohl erst 32, den alten Earl, die einzige Figur, die in diesem Stück eine große Veränderung durchmacht, gibt. Du nimmst ihm den Alten ab – sowohl in der langen Phase des Geizes, der Tyrannei und des gefühllosen Grants, als auch in der Wandlung selbst, wo er erstmals seit Jahrzehnten Gefühle wieder zuzulassen beginnt bis hin zum Wiederaufleben, das ihn sogar aus dem Rollstuhl aufstehen, wieder gehen und in die USA reisen lässt.
So "nebenbei" zerstört das Stück Vorurteile – die Engländer, die Aristokraten, die Reichen/die Armen sind so... konkrete Begegnung mit Menschen der angesprochenen Gruppen strafen die wiedergekauten Klischees mitunter Lügen.
Neben der spannend erzählten und gespielten Grundgeschichte, die immer wieder Wert auf Herzensbildung, soziales Mitgefühl und Teilen legt, sind im Stück manche Sager eingebaut, die sich an die Erwachsenen im Publikum richten – von Anspielungen auf den US-amerikanischen Präsidenten über Animositäten zwischen Großbritannien und den USA bis hin zu antisozialen und antidemokratischen Sprüchen des Earls in seiner Geizhals- und Tyrannenphase.
Mit scheinbar wenigen Mitteln verwandelt sich auch die Bühne (vom Regisseur) vom eher armseligen Laden in der US-Vorstadt in das herrschaftliche schottische Schloss.
Heinz Wagner
Die Presse am Sonntag – 09.12.2018
Reichtum, auch ohne Geld
Das Theater der Jugend zeigt ein Stück, das gut in den Advent passt. In "Der kleine Lord" siegt die Freundschaft über die Gier.
"Bis ich mit allen Spielsachen gespielt habe, bin ich genauso alt wie du!" - das schmettert der junge Cedric seinem Großvater, dem Earl of Dorincourt entgegen. Lang hat der alte Mann allein in seinem Schloss gewohnt, jetzt hat er seinen Enkel, den Sohn seines toten Sohns, aus Amerika zu sich geholt. Und dieser räumt mit viel Charme auf: Mit dem gespreizten Umgangston, der noblen Zurückhaltung und mit den Machenschaften des Hausdieners Mr. Havisham.
Geld, Reichtum und Landgüter interessieren den jungen Mann wenig - ihn berührt mehr das Wohlergehen der Waldarbeiter und das Leben der Menschen im Armenviertel. "Earls Lane" heißt die Straße, die nach seinem Großvater benannt ist. "Eine Schande", meint Cedric. Im Theater der Jugend ist das Buch der englischen Schriftstellerin Frances Hodgson Burnett (sie hat es vor mehr als 130 Jahren geschrieben) derzeit als Theaterstück zu sehen. Der Regisseur Gerald Maria Bauer hat das Buch für die Bühne umgeschrieben und ein bisschen moderner gemacht. Die Grundfragen des Romans bleiben aber die gleichen: Sind die Armen einfach nur faul? Macht Geld glücklich? Und was bedeutet eigentlich Reichtum?
Der junge Cedric weiß das alles viel besser als sein durch Einsamkeit verhärteter Großvater. "Wozu hätte man Geld, wenn man damit nichts Gutes tut?", ruft er durch die hehren Hallen. "Cedi" bringt Leben ins Schloss, ihm fliegen die Herzen zu. Doch bevor am Schluss sogar der Alte seine Menschlichkeit zurückgewinnt, wird es noch spannend. Denn der Hausdiener Havisham will nicht zusehen, wie der junge Lord das Vermögen verringert. Cedric spioniert dem Diener nach - und muss sich zwischendurch als Stehlampe verkleiden, um nicht entdeckt zu werden. Das Stück enthält viele lustige Szenen und Details. Die Schauspieler sind sehrt gut und spielen glaubwürdig verschiedene Figuren! Auch das Bühnenbild ist einfach, aber toll.
Daniela Tomasovsky
Tiroler Tageszeitung / APA – 05.12.2018
"Der kleine Lord" mit dem großen Herzen
(…) Regisseur Gerald Maria Bauer hat den 1886 erschienenen Kinderbuchklassiker vorsichtig entstaubt - eine Geschichte mit Herz.
Als sein eigener Bühnenbildner zaubert Bauer den denkbar größten sozialen Gegensatz auf die Bretter des Renaissancetheaters: Ein kleiner Drugstore und eine winzige Mansardenwohnung in Brooklyn sowie - ganz ohne große Umbauten - ein veritables schottisches Schloss. Auf diesem wohnt der Earl of Dorincourt (Florian Stohr gibt einen echten Griesgram im Rollstuhl, der erst mit der Zeit menschliche Züge bekommt) und wünscht, seinen einzigen Enkel und künftigen Alleinerben um sich zu haben. Doch Cedric (Niklas Doddo) ist ein waschechter Yankee, der sich mit seinen Kumpels, seiner Mama (Pia Baresch) und seinem väterlichen Freund, dem linken Gemischtwarenhändler Hobbs (Frank Engelhardt) in New York an sich recht wohlfühlt.
Bauer baut ein paar aktuelle Anspielungen (Cedric träumt davon, Präsident der USA zu werden) und ein paar britisch-amerikanische Aversionen ein (…), konzentriert sich ansonsten aber ganz auf das soziale Engagement des jungen Lords. Dem Diktum des Opas „Wer arm ist, ist meistens auch faul“, hält der junge Menschenfreund eigene Erfahrungen entgegen und kontert mit: „Wozu hätte man Geld, wenn man damit nichts Gutes tut?“ Hier bietet das Stück, das bei der gestrigen Premiere viel Applaus erhielt, zweifellos einige Anknüpfungspunkte für die Gegenwart. Zum Thema Sozialabbau hat „Der kleine Lord“ tatsächlich einiges zu sagen.
Am Ende ist es dann doch vor allem die Kriminalstory rund um den scheinheiligen, doch oberfiesen Diener (Matthias Mamedof) und seine Komplizin (Aline-Sarah Kunisch), von der die jungen Zuschauer gepackt werden. Zum Schluss überrascht Bauer mit einem Brexit der anderen Art: Als der kleine Lord wieder heim nach Brooklyn will, packt sich der geläuterte und wieder abenteuerlustige Großvater kurzerhand zusammen und kommt mit. Der US-Präsident kann sich schon mal warm anziehen.
Wolfgang Huber-Lang
Wiener Zeitung – 06.12.2018
"Der kleine Lord" im Theater der Jugend
Er gehört ins fixe Fernsehprogramm zu Weihnachten. Das Theater der Jugend bringt ihn auf die Bühne.
"Der kleine Lord" gehört in der Verfilmung aus 1980 mit Alec Guinness zur Vorweihnachtszeit wie Punsch und Christkindlmarkt. Folgerichtig bringt nun das Theater der Jugend Frances Hodgson Burnetts gleichnamigen Kinderbuchklassiker aus 1886 auf die Bühne.
Regisseur Gerald Maria Bauer transferiert die märchenhafte Fin-de-siècle-Geschichte problembewusst in die Gegenwart: Der Marktstand von Apple Annie wird in seiner Fassung etwa von einem Konzern ruiniert. Der Titelheld Cedric (wacker: Niklas Doddo) wächst bekanntlich in ärmlichen Verhältnissen auf, bis er von seinem wohlhabenden Großvater adoptiert wird und nach einigen Wirrnissen das versteinerte Herz des alten Lords erweicht.
(…) Aus dem achtköpfigen Ensemble in Mehrfachrollen stechen vor allem Frank Engelhardt als Mr. Hobbs und Matthias Mamedof als Bösewicht hervor.
Petra Paterno
Materialien
Unsere theaterpädagogischen Materialien zu »Der kleine Lord« bieten Ihnen Informationen, Fragebögen, Spiele und Szenenvorschläge! So können Sie die besuchte Aufführung mit Ihrem Kind oder Ihrer Klasse auf fantasievolle Weise vor- und nachbereiten.
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