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2015/2016

Beautiful Thing 13 +

von Jonathan Harvey
Deutsch von Peter Torberg

Stückinfo

Ort: Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien
Zeitraum: 05. April 2016 - 28. April 2016
Premiere: 08. April 2016
Dauer: 01:30
Regie: Werner Sobotka

Wir weisen höflichst darauf hin, dass in dieser Produktion aus künstlerischen Gründen geraucht wird.

»Stars shining bright above you,
Night breezes seem to whisper, ›I love you‹,
Birds singin’ in the sycamore tree,
Dream a little dream of me …«

Gus Kahn. Dream A Little Dream Of Me

Was tun, wenn die eigenen Gefühle so ganz anders sind, als die Umwelt es erwartet? Jamie ist 16 und lebt mit seiner alleinerziehenden Mutter Sandra in einem schäbigen Sozialwohnungsbunker. Nächste Tür links wohnt der gleichaltrige Steven, der von allen nur Ste genannt und von seinem alkoholabhängigen Vater regelmäßig verprügelt wird. Nächste Tür rechts wohnt Leah, die, nachdem sie von der Schule geflogen ist, ihre Zeit damit verbringt, von einer Karriere als Popstar zu träumen.
Als Ste wieder einmal schwere Prügel bezogen hat, bietet Jamies Mutter ihm an, bei ihnen zu übernachten. Immer öfter flüchtet Ste jetzt vor seinem Vater in die Nachbarwohnung zu Sandra und Jamie. Die beiden Jungen verbringen viel Zeit miteinander, und Jamie wird bald bewusst, dass er in seinen Freund verliebt ist. Ob Ste für ihn auch mehr empfindet als Freundschaft?
In einer Vorstadtwelt, die »Schwul-Sein« immer noch gleichsetzt mit Schwäche und Abartigkeit, ist es schwierig sich zu seinen Gefühlen zu bekennen. Auch Jamie und Steven sind etlichen Anfeindungen ausgesetzt. Dass Liebe etwas Schönes, »a beautiful thing« ist, davon erzählt diese Geschichte, ohne dass die Schwierigkeiten, die Jugendliche auch heute noch vorfinden, beschönigt werden.
»Beautiful Thing« ist eine Komödie, wie vielleicht nur die Engländer sie schreiben können. Ein Stück, das den Drahtseilakt zwischen Ernsthaftigkeit des Stoffes und pointiertem Humor mit Leichtigkeit bewältigt. Zwerchfellerschütternde Situationskomik wechselt sich ab mit atemlos spannenden und stillen Momenten.
Die Stücke von Jonathan Harvey, einem ehemaligen Lehrer, sind vielfach preisgekrönt. Er verfasst ebenso erfolgreich Drehbücher für das Fernsehen. Zudem schrieb er das Buch zum Pet Shop Boys-Musical »Closer to heaven«.

Aufführungsrechte: Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin

Besetzung

Jamie Florian Kroop
Ste Jakob Elsenwenger
Sandra, Jamies Mutter Simone Kabst
Leah Yodit Riemersma
Tony, Sandras Freund Markus Schöttl
Regie und Bühne Werner Sobotka
Kostüme Elisabeth Gressel
Licht Christian Holemy
Bühnenbildassistenz Veronika Lassenberger
Dramaturgie Wolfgang Türks
Assistenz / Inspizienz Felix Metzner
Regiehospitanz Diana Zimmermann

Kritiken

Ö1 - Kulturjournal – 07.04.2016

"Beautiful Thing" im Theater der Jugend

[...] Ein zartes Pflänzchen wächst
Es gibt schönere Gegenden aufzuwachsen, als jene Betonwüste aus Sozialwohnungen, in der die Jugendlichen Jamie, Ste und Leah Tür an Tür wohnen. Die Wände sind dünn und meistens trifft man sich auf den Stufen vor dem Haus. Der sportliche Ste wird von seinem Vater regelmäßig verprügelt, der 15-jährige Jamie leidet unter dem Gespött seiner Klassenkollegen und seiner alleinerziehenden Mutter, und die dicke Leah ist von der Schule geflogen und flüchtet sich in Drogen und die Musik von Mama Cass.

"It's getting better" singt Mama Cass hoffnungsfroh in ihrem 60er-Jahre-Hit, der das Stück durchzieht - und tatsächlich erblüht irgendwo in zwischen kalter Tristesse des Alltags und den Qualen der Pubertät ein zartes Pflänzchen - die Zuneigung zwischen den Nachbarsburschen Jamie und Ste, die nicht lange ein Geheimnis bleibt.

Vor einigen Jahren "undenkbar"
"Natürlich wird's Eltern geben, die sagen, 'aber da wird geflucht auf der Bühne, da wird geraucht und geschlagen', aber es ist kein Stück für 6-Jährige sondern für 13+ und es ist kein heile-Welt-Stück", sagt Regisseur Werner Sobotka. Ein Märchen ist das Stück des englischen Dramatikers und Lehrers Jonathan Harvey wahrhaftig nicht, und die Sprache ist selbst für ein Jugendtheaterstück deftig durchsetzt mit Flüchen und Obszönitäten. Intendant Thomas Birkmeir habe mit seiner Stückauswahl einiges gewagt, so Sobotka. Denn die Thematik Homosexualität wäre vor einigen Jahren im Jugendtheater noch undenkbar gewesen.

"Wenn man sagt, z.B. ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung ist homosexuell, haben wir - bei 600 Plätzen - jeden Abend 60 potenzielle Kandidaten drin, für die das vielleicht was bringen könnte: eine Erleichterung sich zu entwickeln, darüber zu reden oder Fragen zu stellen. Also ich halte es für richtig, das auf den Spielplan zu setzen", betont der Regisseur.

Ein geglücktes Wagnis
Das Wichtigste sei es, zwei ganz durchschnittliche Jugendliche zu zeigen, ganz ohne Schwulenattitüde, Nagellack oder Federboa, so Sobotka, erst dann werde das Stück relevant und nachvollziehbar. Die Proben lassen erahnen, dass das geglückt ist. Die Darsteller beherrschen den Drahtseilakt zwischen schrillen und stillen Momenten und machen klar, dass Liebe, egal wo und unter welchen Umständen, immer etwas Schönes ist - "a beautiful thing" also.

Katharina Menhofer


Die Presse – 13.04.2016

„Beautiful Thing“: Verstohlene Küsse im Sozialbau

„Beautiful Thing“ im Theater der Jugend: Eine zarte Annäherung an junge homosexuelle Liebe.

Der Sozialbau, in dem diese junge Liebe beginnt, lässt sich erahnen auf der Bühne des Renaissancetheaters: Da sind die Fahrradständer, bei denen der erste Kuss stattfindet, ein Waschbeton-Blumenkisterl, der Türstock, aus dem sich die Mutter lehnt, um „noch fünf Minuten!“ zu gewähren. Auf der anderen Seite der Drehbühne befindet sich ein Jugendzimmer, wie es detailreicher wohl nicht im Theater gezeigt werden könnte. Zig Pickerln kleben auf dem Kiefernholzbett, auf dem sich Jamie und Ste zum ersten Mal näherkommen. Und auf dem sich Jamie weinend seiner Mutter anvertrauen wird: „Es gibt Dinge, die kann man nicht erklären!“

Muss man auch nicht, und das ist eine der Qualitäten des Stücks „Beautiful Thing“ von Jonathan Harvey: dass es sich einer jungen homosexuellen Liebe, den Nöten und Freuden der Burschen zart annähert, aufklärungsfrei und ohne irgendwelche Coming-out-Klischees zu bedienen. Stattdessen feiert es die Liebe zwischen zwei Teenagern, das ist doch eine schöne Sache. A „Beautiful Thing“, eben.

Nicht, dass alles einfach wäre im Leben von Jamie und Ste: Ersterer (Florian Kroop), von seiner Mutter Sandra (Simone Kabst) verhätschelt, wird in der Schule sekkiert, Letzterer (Jakob Elsenwenger) von seinem Vater verprügelt. Eines Nachts so schlimm, dass er zu Jamie in die Nebenwohnung flüchtet, der ihn bei sich übernachten lässt. Teil dieses Arbeitersiedlung-Mikrokosmos ist auch die von der Schule geflogene Leah (kess: Yodit Riemersma). Zur komödiantischen Auflockerung dient Tony, Sandras Lover (lustig: Markus Schöttl): Der naive Vokuhila-Neohippie trägt stets eine Palette Bier herum und hat ein Talent dafür, sich in jeder Situation unpassend zu verhalten.

Das Ensemble des Theaters der Jugend überzeugt durchwegs, die Darsteller von Jamie und Ste finden ungekünstelt in die Sprach- und Verhaltensweisen von (proletarischen) Jugendlichen hinein. Die Inszenierung von Werner Sobotka hat ihren schönsten Moment in der Szene, in der Jamie und Ste sich nachts hinausschleichen und einander tanzend in die Arme fallen: Da, im Schein bunter Lichter, sind alle Zweifel vergessen, da ist einfach nur junge, unschuldige Verliebtheit. Die Probleme können warten. Jubelnder Applaus.

Katrin Nussmayr


Der Standard – 09.04.2016

"Beautiful Thing": Harte Worte, weiche Kerne

Sensible Geschichte über pubertierende Buben und die Liebe im Theater der Jugend
Schulsport ist seine Sache nicht. Dafür singt Jamie (Florian Kroop) gerne bei The Sound of Music mit. Auch wenn ihm das vor seinem Übernachtungsgast jetzt peinlich ist. Ein bisschen Klischee mag man eben. Genauso wie Männer. Und ganz besonders diesen: Ste (Jakob Elsenwenger). Er ist die coole Sau. Skateboarder. Aber selbst er hat ein Problem, Vater und Bruder verprügeln ihn. Mit Lügen versucht Ste zu vertuschen, was jeder in der Nachbarschaft weiß. [...]

Mütze statt Blümchen
Beautiful Thing von Jonathan Harvey – der Titel des Stücks klänge wie bitterböse Ironie, gäbe es da im Theater der Jugend nicht die Liebe. Die bald schönste neue Nebensache für die pubertierenden Buben. Das Verarzten der blauen Flecken wird zärtliche Annäherung. Statt Blümchen schenkt man dem Schatz eine Mütze. Mehr als 20 Jahre hat der Text auf dem Buckel, doch die Gefühle lernen eben erst zu laufen.
Und auch Jamies Mutter (Simone Kabst) träumt davon, ist ihr Tony (Markus Schöttl) auch ein Tropf. [...] Boyfriendmaterial ist er wirklich nicht. Aber auch als "Mom" ist diese zweifelsohne schon öfters gepflückte Blume aus dem Sozialbau schwerlich das große Los. [...]

Die Inszenierung von Werner Sobotka schafft es dann, die Lebens- und Gefühlsnöte aller Beteiligten berührend zu transportieren. Denn eigentlich sind sie alle besser, als es scheint, und die harten Worte (Schlampe, Bitch, Fotze, fick dich, Schwuchtel) nur dazu da, die weichen Kerne zu schützen. Die obligatorische Eltern-Kind-Opposition aus argumentativem Gestreite oder einfach nur Gemotze? Nichts anderes als Hilflosigkeit!

Ein mehr als bloß schwules Aufklärungsstück für alle ab 13. Weil auch Eltern immer noch dazulernen können.

Michael Wurmitzer


Kurier online - KiKu – 06.04.2016

Überleben mit Musik und Witz

"Beautiful Thing" im Wiener Renaissance-Theater ist weit mehr als ein Stück über zwei schwule Jungs.

Auch mitten in der Wüste können Blumen blühen. Sozusagen. Auch wenn die vielleicht ganz anders wachsen als gemeinhin angenommen. Auch so kann „Beautiful Thing“, das jüngste Stück im großen Haus des Wiener Theaters der Jugend verstanden werden. Die rund eineinhalbstündige Inszenierung des Stücks von Jonathan Harvey, Regie Werner Sobotka, in der die beiden Burschen Jamie und Ste Gefühle füreinander entdecken, umfasst deutlich mehr: Viel Witz, Mut, auch in trister Umgebung, Mut zu haben und Spaß zu finden. Und nicht zuletzt: Auch bei – möglichem Gegenwind – zu sich und seinen Gefühlen zu stehen.

Mach deine eigene Musik
Da ist Jamie, den die Schule nicht sehr freut. Weniger des Unterrichts wegen, Andeutungen vermitteln das Bild heftigen Mobbings, dem er ausgesetzt ist. [...] Leah, Tochter in der benachbarten Wohnung, hat’s auch nicht leicht, lässt sich aber wenig gefallen und scheint vielen sozusagen mit dem A... ins Gesicht zu fahren. Sie findet Zuflucht, Halt und Stärke in Musik, vor allem von Mama Cass (Mitte bis Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts). Einer ihrer größten Hits. „Make your own kind of music...!“. Mach deine eigene Art von Musik – das ist Leahs (Über-)Lebensmotto, auch wenn sie damit nicht selten an-eckt.

Zarte Gefühle
Und dann ist da noch Ste, der coole Skateboarder, der obendrein auch noch die Schule regelmäßig besucht, hier in dieser Siedlung am Rande der Stadt offenkundig eher eine Seltenheit. [...] Zwischen beiden Burschen beginnt sich ein zaghaftes Pflänzchen von mehr als nur Zuneigung zu entwickeln. Und gleichzeitig Angst vor diesen Gefühlen bzw. davor, zu ihnen zu stehen.
Das „schöne Ding“ des Titels ist aber eben mehr – vor allem die Lebensfreude auch in einem Umfeld, das dies nicht gerade leicht macht.

Fokussierter und präziser
Für Regisseur Werner Sobotka, der fürs Theater der Jugend schon zwei Musicals inszeniert hatte, ist es die erste Sprechtheater-Regie. „[...] Hier muss mehr auf die Präzision der Worte Wert gelegt werden“, meint er gegenüber dem KiKu am Rande einer der letzten Proben für das Stück. Und freut sich vor allem, „mit diesem kleinen, aber sehr feinen Team arbeiten zu dürfen. Das ist wirklich ein Vergnügen!“

kurier.at/lebensart/kiku/ueberleben-mit-musik-und-witz/191.325.223

Heinz Wagner


Wiener Zeitung – 09.04.2016

Außerordentliche junge Liebe

[...] In seinem Stück "Beautiful Thing" brach Jonathan Harvey 1993 mit einem "Don't ask, don't tell"-Tabu. Im Londoner Suburb-Mief erwacht im Wechsel von kühn und zögerlich die erste Liebe zweier sechzehnjähriger Schüler zueinander.
Für diese Gegenwelt zur Bubenblüte in feinen englischen Internaten bot eine Verfilmung 1996 hinreißende Akteure, eine aggressive Straßen- und Schulkulisse sowie starke proletarische Episodengesichter auf. Harveys Originalentwurf wanderte zwanzig Jahre später weiter ins "Theater der Jugend". [...]
Florian Kroop, im Remake der werbende Part, braucht sich vor dem Kino-"Jamie" nicht zu verstecken. Jakob Elsenwenger als der vom versoffenen Vater verdroschene "Ste" überzeugt als Figur sogar mehr als sein Leinwandkollege. Zuerst abweisend, dann nach und nach lockerer. Bis hin zum Küssen und Tanzen und finalen Sieg über die Angst, gehänselt, gescholten, gedemütigt zu werden.
Hinter der linken Tür haust die farbige Leah, ein schulverwiesenes Problemkind mit nichts als "Mama-Cass"-Songs im Kopf. [...] In der Mitte macht sich Simone Kabst als schlampige, doch herzensgute Alleinerzieherin ihres „Jamie“ schmal, doch für einen verlebten jungen Junkie bereit. Mutters Stecher baut auch kein Joint wieder auf. Markus Schöttl blässelt wunderbar im unsicheren Gang. [...]

Hans Haider


Materialien

Unsere theaterpädagogischen Materialien zu "Beautiful Thing" bieten Ihnen Informationen, Fragebögen, Spiele und Szenenvorschläge! So können Sie die besuchte Aufführung mit Ihrem Kind oder Ihrer Klasse auf phantasievolle Weise vor- und nachbereiten. Schicken Sie uns eine E-Mail an [YjY0dGFnOmZyZWRlcmlrZS5zdG9semVuYnVyZ0B0ZGouYXQ=] und Sie bekommen die Materialien umgehend zugesandt.