2008/2009
Wir alle für immer zusammen 11 +
von Guus Kuijer
in der Bearbeitung von Andreas Steudtner und Philippe Besson
Stückinfo
Ort: | Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3 |
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Zeitraum: | 18. April 2009 - 27. Juni 2009 |
Premiere: | 21. April 2009 |
Regie: | Marco Štorman |
»Mimun: Liebe Polleke,
Guus Kuijer. Wir alle für immer zusammen
mein Vater sagt, dass ich etwas Dummes gesagt habe. Er sagt, dass ich vor Dichtern Respekt haben muss. Ich soll dir sagen, dass es mir leid tut. Es tut mir leid. Aber ich darf nicht mehr mit dir gehen.
Tschau!
Mimun«
Das geht einfach nicht! – Polleke hat ja nichts dagegen, dass ihre Mutter sich wieder verliebt, nachdem Papa sich aus dem Staub gemacht hat – aber muss es denn ausgerechnet der eigene Klassenlehrer sein, mit dem man verschlafen am Frühstückstisch sitzt?
Das Leben scheint verzwickter zu sein, als Polleke sich das vor Kurzem noch vorstellen konnte.
Etwa mit Mimun, dem marokkanischen Jungen, zum Beispiel, in den Polleke verliebt ist, der aber Schluss macht, weil seine Eltern schon ein anderes Mädchen für ihn ausgesucht haben, in das er sich nicht einmal verlieben muss, sondern das er gleich heiraten soll …
»Manchmal ist das Leben ein Brechmittel«, sagt Polleke. Doch anstatt Trübsal zu blasen und die Hoffnung aufzugeben, krempelt sie die Ärmel hoch und macht sich auf, ein paar »Probleme« aus der Welt zu schaffen. Denn das Leben ist einfach und kompliziert, und Polleke weiß, auch wenn man mal traurig ist, ist es meistens auch sehr komisch. Deshalb behält sie in all den vertrackten und verzwickten Situationen, die sie umgeben, den Überblick. Und dann gibt es da noch ihren großen Traum, für den sie kämpft: »Wir alle für immer zusammen« …
Der ehemalige Volksschullehrer und vielfach preisgekrönte niederländische Autor Guus Kuijer hat das spontane und offenherzige Mädchen Polleke mitten ins pralle Leben gestellt. Dafür erhielt er für seinen Roman 2002 den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach der höchst erfolgreichen Uraufführung in Potsdam ist das Stück nun im Theater im Zentrum zu sehen.
Aufführungsrechte: Verlag für Kindertheater Uwe Weitendorf GmbH, Hamburg
Besetzung
Polleke | Natalie Ananda Assmann |
Mimun | Sebastian Gerasch |
Mutter / Oma / Caro / Lehrer / Mutter von Mimun / Sina / Diana / Gamesh / Mehmet / Mourad / Vater / Opa / Pförtner im Gefängnis | Katharina Uhland, Markus Schöttl |
Regie | Marco Štorman |
Bühne und Licht | Frauke Löffel |
Kostüme | Ursula Bergmann |
Musik | Thorsten zum Felde |
Dramaturgie | Markus Felkel |
Assistenz und Inspizienz | Clemens Pötsch |
Hospitanz | Dalia Hassan |
Kritiken
Kronenzeitung – 25.04.2009Mit dem Stück nach dem Roman des holländischen Jugendschriftstellers Guus Kuijer »Wir alle für immer zusammen« dürfte das Theater der Jugend im Theater im Zentrum einen neuen Hit landen. Es geht um die Liebe zweier junger Menschen, die trotz der Schwierigkeiten, die ihnen ihre muslimischen Eltern bereiten, bestehen bleibt. Die junge Polleke (fabelhaft locker und vehement in ihren Gefühlen: Natalie Ananda Assmann) liebt den Marokkanerknaben Mimun (Sebastian Gerasch). Seine Eltern verbieten ihm die Freundschaft und wollen ihn mit einer jungen Marokkanerin zusammenbringen. Pollekes Großeltern auf dem Bauernhof, bei denen Polleke auch zusehen darf, wie ein Kälblein zur Welt kommt, hatten ein ähnliches Problem (Oma ist Katholikin, Opa Protestant). Pollekes Mutter setzt den vagabundierenden Vater vor die Tür und fängt ausgerechnet mit Pollekes Lehrer ein Verhältnis an. Die gutmütige unbeschwerte Polleke kann alle Widerstände überwinden und in ein Leben eintreten, das ihrem Geschmack entspricht … Kuijer hat die Lebensprobleme junger Menschen, ihre Schwierigkeiten mit der älteren Generation und ihr Überwinden aller Hindernisse für gelungene Freundschaften und Verständnis für ihre problematischen Eltern mit viel Witz und Humor dargestellt. Marco Štorman hat im Bühnenbild von Frauke Löffel für eine begeisterte Umsetzung gesorgt. Zu den zwei jungen Darstellern kommen noch Markus Schöttl und Katharina Uhland, die alle Nebenrollen (Freunde, Großeltern, Mutter, Vater, Lehrer) virtuos verkörpern. Ein Plädoyer für Patchworkfamilien, für Verständnis bei rassischen und religiösen Unterschieden und das Recht Junger, über Vorurteile Älterer zu triumphieren.
V. Parschalk
Kurier – 28.04.2009
Wie das Teenager-Leben eben manchmal so spielt
Leicht hat es die kleine Polleke wirklich nicht: Der leibliche Vater ist ein Junkie und Kleindealer, die Mutter lässt sich ausgerechnet mit Pollekes Lehrer auf ein Verhältnis ein und der von Polleke so angebetete Mimun soll (glaubensbedingt) mit einer anderen verheiratet werden. Doch so einfach lässt sich eine Polleke nicht unterkriegen.
Mit der (feinen) Dramatisierung von Guus Kuijers Erfolgsroman »Wir alle für immer zusammen« setzt das Theater der Jugend im Wiener Theater im Zentrum auf heutige Themen wie Patchwork-Familien, Pubertätsprobleme, Rassismus, Integration oder auch Drogenmissbrauch.
Regisseur Marco Štorman verpackt diese teils extrem heiklen Themen in gesunden Witz und hat das »Drama des Erwachsenwerdens« mit sicherer Hand und Präzision inszeniert. Ein sehr kluges Einheitsbühnenbild (Frauke Löffel) suggeriert den jeweiligen Schauplatz des Geschehens; die vielen (allzu vielen) Schicksalsschläge werden flott abgehandelt.
Als Polleke steht Natalie Ananda Assmann im Zentrum des Geschehens; sie spielt eindringlich, ohne je ins Pathetische oder Larmoyante zu verfallen. Sebastian Gerasch ist dabei ein sympathischer Mimun; Katharina Uhland und Markus Schöttl müssen in mehrere Rollen schlüpfen. Sehr engagiert.
Peter Jarolin
Klein&Kunst Onlein - www.kleinundkunst.at – 27.04.2009
Wir alle für immer zusammen – Theater im Zentrum (ab 11)
Und wieder Preisgekröntes auf einer Bühne des Theaters der Jugend: Wir alle für immer zusammen – ein Stück über den Jugendalltag in Amsterdam. Klein&Kunst-Redaktrice Sylvie Wasshuber war bei der Premiere live dabei. Hier ihr Bericht.
Was für ein Traum – vermutlich für die meisten Kinder: Wir alle für immer zusammen. Polleke, das 11-jährige Temperamentbündel aus Amsterdam, sieht darin die Formel, mit der sich das ständige Durcheinander mit und zwischen Mutter, Vater, Freund und Lehrer dauerhaft in den Griff bekommen lässt – Zusammensein als große unerfüllbare Sehnsucht. »Manchmal ist das Leben ein Brechmittel«, spricht sie vermutlich den meisten Gleichaltrigen aus der Seele. Etwa als ihr marokkanischer Freund Mimun ihr eröffnet, sein Vater habe ihm verboten, weiterhin mit ihr zu gehen. Als Polleke ihrem gerechten Zorn Luft macht, wird sie auch noch als Rassistin beschimpft. Und wenn sie ihr eigener Vater wieder einmal um Geld anschnorrt, anstatt endlich anzufangen seine Gedichte aufzuschreiben, wie er es seit Jahren verspricht, frisst sich die Enttäuschung tief ins Kinderherz. »Es gibt immer eine Luft / für meine Schlösser / und es gibt immer auch ein Plätzchen / für Polleke, mein Schätzchen«, stammt von diesem »Dichter ohne Gedichte«, an den nur noch seine eigene Tochter glaubt.
Das alles wäre schlimm genug. Was aber gar nicht geht: dass Mama sich ausgerechnet in Pollekes Klassenlehrer verknallt. Vom Lehrer bis ins Privatleben verfolgt, ein Horrorbild für jeden jungen Menschen. Da will Polleke nicht mehr mitspielen.
Zum Glück gibt es noch Caro – verrücktes Huhn und Pollekes beste Freundin. Mit ihr lässt sich der ganze Wahnsinn gerade noch ertragen und beim Herumblödeln sogar kurz vergessen. Vielleicht haben es die beiden so lustig, weil Caro einen SUP hat – einen Sehr Unnormalen Papa. Dagegen findet Polleke ihren UP für niederländische Verhältnisse schon fast normal. Und so wird die Bühnenfassung der mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2002 ausgezeichneten Geschichte des niederländischen Lehrers Guus Kuijers kein trauriges Problemtheater, sonder eine rasante Hochschaubahn der Gefühle. Regisseur Marco Štorman sorgt dafür, dass das junge Publikum im Theater im Zentrum auch ordentlich zu lachen hat.
Auf der Bühne ragt das Dach eines Karussells schräg aus dem Boden. Auf ihm tummeln sich die Figuren des Stücks, durchgewirbelt, gezaust und herumgeschleudert vom modernen Leben, mit dem weder Kinder noch Erwachsene sonderlich gut zu Recht kommen. Einzig die Großeltern mit ihrem kleinen Bauernhof bieten in Kuijers Geschichte einen Zufluchtsort, an dem Polleke Geborgenheit und wenigstens ein paar Antworten findet. Da heißt es dann Kuh oder Karussell?
Natalie Ananda Assmann gibt eine nimmermüde Polleke, die wie ein Wirbelwind über die Bühne fegt und im Eilzugstempo zwischen kindlicher Manie und Melancholie wechselt. Die Erwachsenenrollen erledigen Katharina Uhland und Markus Schöttl souverän. Ihre vielen Rollenwechsel sind ein durchaus lohnender Nebenschauplatz für das Publikum. Die undankbare Figur des zwischen die Fronten geratenen Mimun erweckt Sebastian Gerasch zum Leben.
Sylvie Wasshuber