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2008/2009

Brooklyn Memoiren 13 +

von Neil Simon
Deutsch von Ursula Lyn

Stückinfo

Ort: Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien
Zeitraum: 24. März 2009 - 25. April 2009
Premiere: 26. März 2009
Regie: Folke Braband

»Eugene: Ich hasse meinen Namen! … Eugene Morris Jerome … das ist der zweitschlimmste Name, den man je einem Jungen gegeben hat (…). Wie soll ich je bei den Yankees spielen, mit so einem Namen?«

Neil Simon. Brooklyn Memoiren

Wenn jemand Eugene Morris Jerome heißt, kann er sich eigentlich nur zum Dichter berufen fühlen. »Die Abenteuer des E. M. J.« oder »E. M. J. und die große (sündige) Versuchung« – das wären ideale Titel, um sich selbst in das glitzernde Scheinwerferlicht des ewig währenden Erfolgs zu setzen.

Oder doch lieber die Anfeuerungen eines Millionenpublikums genießen, das seinen E. M. J. als absoluten Baseballstar feiert?

Eugene weiß noch nicht so recht, welchen Weg sein Leben einschlagen soll – er weiß nur eines: Die unsichere Unentschlossenheit, die er in sich spürt, nennen andere Pubertät.

Aber die Gewitterwolken über Familienglück und die politische Großwetterlage (in Europa droht Krieg) entgehen auch ihm nicht. Vater Jack muss sieben Personen erhalten und rackert sich in zwei Jobs ab, der große Bruder Stanley will eigene Wege gehen, und Cousine Nora probt gar den Aufstand, als der Familienrat ihr ein Vortanzen in einer Broadwayshow untersagt. Eugene verliert über dem zwischen Humor und Tragik pendelnden Familienalltag aber nicht sein dringlichstes Ziel aus den Augen: Denn Pubertät bedeutet auch das Erwachen neuer und unbekannter Gefühle …

Diese Familiengeschichte aus der Feder des weltberühmten Autors Neil Simon gehört wohl zu den intelligentesten Zustandsbeschreibungen menschlichen Zusammenwohnens. Neil Simon ist einer der populärsten Autoren der Gegenwart, für »Brooklyn Memoiren« erhielt er zahlreiche Preise, er ist mehrfacher Tony-Award-Besitzer und gewann den Golden Globe für »The Good-bye Girl«.


Aufführungsrechte: S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main

Besetzung

Jack Jerome Uwe Achilles
Kate Jerome Pilar Aguilera
Stanley Manolo Palma
Eugene Matthias Mamedof
Blanche Margot Vuga
Nora Rebecca Mosselman
Laurie Caroline Athanasiadis
Regie Folke Braband
Ausstattung und Licht Stephan Dietrich
Dramaturgie Marlene Schneider
Assistenz und Inspizienz Michael Schachermaier
Hospitanz Melanie Gemeiner

Kritiken

Kronen Zeitung – 28.03.2009

Theater der Jugend, Renaissancetheater

Mit »Brooklyn Memoiren« des 81-jährigen amerikanisch-jüdischen Dramatikers Neil Simon […] hat das Theater der Jugend einen Hit für Jung und Alt gelandet. Eine typisch jüdische Familiengeschichte mit einer dominierenden »Mamme«, die allen aufkocht und die Zügel der Familie in der Hand hält. Da gibt es den alles verstehenden, lebensuntüchtigen Papa Jack, die Söhne Stanley, der mit seinem Lehrlingslohn die Familie über Wasser hält, und Eugene, der Dichter werden will und an seiner Pubertät leidet, die kurzsichtige Schwester Blanche, die stets unter Mutter Kates Fuchtel war, mit ihren 2 Töchtern, der Leseratte Laurie und der Künstlerin Nora, die das Objekt des Begehrens für ihre zwei Cousins ist.

Im Streit kommt das Familienleben durcheinander. Doch renkt sich alles ein, als man vom Beginn des Zweiten Weltkrieges erfährt und vom Kommen der geflüchteten Familienangehörigen aus Polen, die man auch in dem kleinen Brooklyn-Haus aufnehmen will. Der kleine Eugene, den man immer zum Einkaufen schickt, fungiert hier als Erzähler, die tüchtige Mamme Kate hält die Familie trotz materieller Schwierigkeiten zusammen.

Der deutsche Regisseur Folke Braband hat im gelungenen Bühnenbild von Stephan Dietrich abwechslungsreich und stimmungsvoll inszeniert: Mit Pilar Aguilera als gutmütig dominierender Kate, mit Uwe Achilles als dem schwachen Vater Jack Jerome, mit Margot Vuga als zurückgesetzter Blanche mit ihren Töchtern Rebecca Mosselman und Caroline Athanasiadis, mit Manolo Palma als tüchtigem Stanley und dem quicklebendigen Matthias Mamedof als Erzähler und Alter Ego des Autors, Eugene, in dessen Memoiren seine Familie farbig charakterisiert wird. Viel Applaus.

Volkmar Parschalk


Kurier – 01.04.2009

Allzu Menschliches aus Brooklyn

Das Geld ist knapp bei der Familie von Eugene Morris Jerome, doch das Herz seiner Eltern ist groß: Sieben Mäuler stopft sein Vater, der sich dafür in zwei Jobs abrackert. Denn Blanche, seine Schwägerin, hatte nach dem Tod ihres Mannes keine Wahl: Sie musste froh sein, mit ihren zwei Töchtern Obdach bei Schwester und Schwager gefunden zu haben.

Die Familie als Bollwerk gegen die große Krise war der Grundgedanke des US-Dramatikers Neil Simon, als er in den Achtzigern sein Stück »Brooklyn Memoiren« über die Zeit des Zweiten Weltkriegs aus Sicht der Amerikaner schrieb. Eine Geschichte voll Wärme und Wortwitz, die zeigt, wie wichtig Menschlichkeit in schlechten Zeiten ist.

Getragen wird das Stück, das nun im Renaissancetheater zu sehen ist, von Theater der Jugend-Aushängeschild Matthias Mamedof, der als Erzähler und Hauptdarsteller fungiert. Er verkörpert den pubertierenden Sohn ganz lebensnah, zum Umarmen und zum Verwünschen. Uwe Achilles und Pilar Aguilera vervollständigen das Routinierteam der Neubaugasse.

Eine Familie zum Gernhaben. Anschauen.

Susanne Lintl


Wiener Zeitung – 28.03.2009

Von der schönen, schweren Jugend

Das ist wieder einmal eine Paraderolle für den brillanten Matthias Mamedof, dieser Eugene, der mit Eltern, Bruder, Tante und Cousinen in ärmlichen Verhältnissen lebt, von allen herumkommandiert wird und mit sich selbst nicht zurechtkommt: ein pubertierendes Energiebündel voller Träume und Sehnsüchte.

Das Theater der Jugend bietet jetzt Neil Simons »Brooklyn Memoiren« im Renaissancetheater für Besucher ab 13 Jahren an, in einer mitreißenden Inszenierung von Folke Braband, dem nicht nur ein erstklassiger Ausstatter (Stephan Dietrich), sondern auch noch ein hervorragendes Darstellerteam zur Verfügung stand.

Und so ist man hier zwei Stunden lang im Bann dieser von Simon minutiös und liebevoll geschilderten kleinen Welt, in der Geradlinigkeit, Hilfsbereitschaft und Familienzusammenhalt alles bedeuten.

Lona Chernel


Der Standard – 31.03.2009

Fidel in der Armutsfalle – "Brooklyn Memoiren" von Neil Simon im Renaissancetheater Wien

Neil Simons Brooklyn Memoiren sind beim zweiten Hinschauen ein Stück der Stunde: Sie führen mitten hinein in die Welt der Armut (New York in den späten 1930ern). Sie erzählen aus der Warte des Baseball-begeisterten Halbwüchsigen Eugene (Matthias Mamedof) vom zähen Zusammenhalt einer siebenköpfigen Familie in Brooklyn, die vom »American dream« nichts anderes erbt als die Fähigkeit, die Familienbande auszuprägen und eine störrische Würde zu bewahren.

Den Zumutungen der drückenden materiellen Not wird mit trockenem jüdischen Witz begegnet. »Kann sich unsere Familie im Augenblick Prinzipien leisten?«, fragt eine der Figuren auf der Bühne des Renaissancetheaters. Man kann mindestens 13-Jährigen ein schönes Vorgefühl davon vermitteln, was es heißt, sich künftig an Woody-Allen-Filmen delektieren zu dürfen. Man kann – mit Blick auf den formidabel pubertierenden »Eugene« Mamedofs, der einen prächtigen Stand-up-Comedian antäuscht – sich auf das Erwachsenwerden diffus freuen […].

Ronald Pohl


Der neue Merker - www.der-neue-merker.eu – 26.03.2009

BROOKLYN MEMOIREN von Neil Simon

Das Theater der Jugend in Wien, meist echten Kinder- und Jugendtheater-Projekten verpflichtet, spielt mit den »Brooklyn Memoiren« (wie die »Brighton Beach Memoirs« auf Deutsch heißen) einen wirklich »erwachsenen« Abend, wobei sich das jugendliche Publikum auch bestens amüsiert. Denn es kann sich mit dem Teenager in Nöten Eugene identifizieren, dem seine ersten sexuellen Gefühle die Hölle heiß machen, der für die New York Yankees schwärmt und Schriftsteller werden will, da Neil Simon die jugendliche Weltsicht mit Verständnis, unverschämtem Witz und jeder Menge Fingerspitzengefühl transportiert.

Daneben aber gibt es noch Eugenes Familie: Vater, Mutter, Bruder, weiters die Tante und zwei Cousinen, alle unter einem Dach unter den denkbar engsten finanziellen Bedingungen lebend. Neil Simon gibt jedem einzelnen ein Schicksal, einen mit wenigen Strichen erfüllten Charakter, und dazu rotieren die familiären Probleme, Gefühle, Spannungen. Die unzweifelhafte Zuneigung, die alle für einander empfinden, macht das Zusammenleben nicht leichter. Folke Braband inszeniert dies in der stimmungsvollen Ausstattung von Stephan Dietrich mit einer Sensibilität, wie man sie nicht oft erlebt.

»Brooklyn Memoiren« ist ein Ensemblestück, aber sein Erfolg steht und fällt mit Eugene – und bei Matthias Mamedof steht der Abend ohne Einschränkung fest auf zappligen Teenagerbeinen, großen, erstaunten Augen und einer Pfiffigkeit, die die ganze Intelligenz des Autors Neil Simon widerspiegelt.

Pilar Aguilera hält als echte jüdische »Mame« die Familie zusammen, nicht immer gerecht und oft äußerst ruppig zu Söhnchen Eugene, aber hingebungsvolle Kämpferin für alle Schwachen, ein brodelnder Topf, der auch gelegentlich explodiert. Margot Vuga als ihre zur Dankbarkeit verpflichtete, sich ewig duckende Schwester, die irgendwann zur Selbstkritik gelangt, liefert eine prächtige Studie. Uwe Achilles als Vater, auf dem die finanzielle Last liegt, Manolo Palma als Bruder und Rebecca Mosselman als Cousine, die heftig an den engen Fesseln zerren, und Caroline Athanasidiadis, die als andere Cousine gelernt hat, wie stark man wird, wenn man sich schwach macht, ergänzen ein Ensemble, das verblüffende Echtheit atmet.

Das ist ein nicht alltägliches Stück, ein nicht alltäglicher Theaterabend. Theaterfreunden wird dringlich geraten, die »Brooklyn Memoiren« im Renaissancetheater fest einzuplanen.

Renate Wagner