2007/2008
Das Mädchen am Ende der Straße 13 +
von Laird Koenig
Deutsch von Peter-Paul Zamek
Stückinfo
Ort: | Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien |
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Zeitraum: | 19. Februar 2008 - 12. März 2008 |
Premiere: | 21. Februar 2008 |
Regie: | Thomas Birkmeir |
»Gib nie auf und spiele nie ihr Spiel. Tu, was du musst. Bekämpfe sie, wenn du musst. Aber überlebe.«
Laird Koenig. Das Mädchen am Ende der Straße
»Kommen Sie und lernen Sie Rynn kennen. Genießen Sie eine schöne Tasse Earl-Grey Tea und ein Mandelplätzchen mit ihr. Aber seien Sie vorsichtig. Versuchen Sie nicht, in den Keller zu gehen oder zu viele Fragen zu stellen.« – Gerade erst in einen Küstenort von Nordamerika übersiedelt, ziehen die dreizehnjährige Rynn Jacobs und ihr Vater schon bald die Aufmerksamkeit und Neugier der Ortsbevölkerung auf sich. Mit Recht: Denn Rynn ist ein rätselhaftes Mädchen voller Geheimnisse, die vor allem von der impertinenten Vermieterin Mrs. Hallet ergründet werden wollen. Diese versteht nicht, warum sie nicht mit Rynns Vater sprechen kann. Was sollen die Ausreden, er würde schlafen oder gerade arbeiten? Hat Rynn am Ende etwas zu verbergen?
Ähnlich verschlossen verhält sie sich gegenüber dem nahezu gleichaltrigen Nachbarsjungen Mario, den sie bald zu ihrem Komplizen macht, um letzten Endes doch nicht den entscheidenden Schritt zu wagen, sich jemandem vollständig anzuvertrauen. Eine merkwürdige Spirale von Geheimnissen und Gewalt beginnt sich von nun an zu verselbständigen. Übrig bleibt in diesem packenden Thriller das Mädchen am Ende der Straße.
Laird Koenigs Kriminalstück ist ein minutiös-genaues Psychogramm über Vertrauenssuche und die Mechanismen der Abgrenzung, über Missbrauch und gleichzeitig die Geschichte eines langsamen Erwachens.
Aufführungsrechte: Litag Theaterverlag, Bremen
Besetzung
Rynn Jacobs | Silvia Meisterle |
Frank Hallet | Andreas Kammerzelt |
Cora Hallet | Susanne Altschul |
Sergeant Ron Miglioriti | Alexander Jagsch |
Mario Podesta | Stefano Bernardin |
Regie | Thomas Birkmeir |
Bühne | Andreas Lungenschmid |
Kostüme | Anna Katharina Jaritz |
Licht | Lukas Kaltenbäck |
Zaubereien | Barbara De Cova |
Dramaturgie | Gisa Fellerer |
Assistenz und Inspizienz | Eva Maria Gsöllpointner |
Kritiken
Kurier – 24.02.2008Ein feiner Psychothriller mit Mut zur Sozialkritik
Harte, aber sehr gute Kost im Wiener Renaissancetheater. Wo im Normalfall Themen für ein ganz junges Publikum auch kindgerecht verhandelt werden, geht es bei Laird Koenigs »Das Mädchen am Ende der Straße« ernsthafter zur Sache.
Ein 13-jähriges Mädchen mit jeder Menge Leichen im Keller, ein pädophiler Kleinstadt-Krösus, dessen rassistische Mutter, ein italienischer Cop und ein leicht verkrüppelter Junge, der Zauberer werden will – das ist das Personal in Koenigs Psychothriller über Macht, Missbrauch, Lüge, Tod, Einsamkeit und Verdrängung, aber auch über Liebe und Vertrauen.
Hausherr Thomas Birkmeir hat diese Geschichte rund um das Mädchen Rynn sehr präzise in Szene gesetzt, wahrt in Andreas Lungenschmids naturalistisch-schönem Ambiente gekonnt die Balance zwischen Komik und Tragik. Fast zärtlich spürt Birkmeir den Gefühlen, Nöten und Ängsten seiner Protagonisten nach; sehr gut die Personenführung.
Die Darsteller dieser »Arsen und Spitzenhäubchen«-Variante mit Sozialkritik danken es Birkmeir. So gibt Silvia Meisterle eine intensive, unglaublich starke Rynn, die mit wenigen Blicken und Gesten sehr viel aussagt.
Stefano Bernardin als zaubernder Mario steht Meisterle in nichts nach. Alexander Jagsch überzeugt als Cop sehr; Andreas Kammerzelt und Susanne Altschul füllen ihre Rollen aus.
Peter Jarolin
Kronenzeitung – 24.02.2008
Hitchcock-Atmopsphäre
»Wenn meine Mutter etwas sagt, ist es automatisch wahr!« So erklärt Frank Hallet das impertinente Verhalten seine Mutter. Doch die wahren Beweggründe des eigentümlichen Verhaltens aller müssen erst wie ein Psycho-Puzzle zusammengesetzt werden: Das Theater der Jugend spielt Laird Koenigs »Mädchen am Ende der Straße«.
Rynn Jacobs feiert ihren 13. Geburtstag mit ihrer Maus, dem einzigen lebendig scheinenden Wesen in diesem viktorianischen Wohnzimmer mit Wintergartenhorizont (das reizvolle Bühnenbild entwarf Andreas Lungenschmid). Ihr Vater arbeitet – angeblich – hinter verschlossenen Türen an seinen Gedichten. Nur sich selber vertrauend, auf der schmalen Gratwanderung zwischen Überleben und Wahnsinn, fasst Rynn langsam den Mut, ihre Geheimnisse preiszugeben. … Die Aufführung des Theaters der Jugend im Renaissancetheater ködert in der gekonnt gemachten Inszenierung Thomas Birkmeirs den Zuschauer geschickt.
Wie eine Spirale wirkt da die dramatische Verdichtung und Zuspitzung. Der väterliche Polizeifreund Sergeant Miglioriti kann Rynn vor den eindeutigen Zudringlichkeiten Frank Hallets und seiner Mutter, der allzu neugierigen Vermieterin, nicht schützen. Die geheimnisvolle Falltür geht auf und zu. Doch was Mrs. Hallet im Keller wirklich entsetzt hat, wird lange verschwiegen … Als Deus ex Machina ist er (Mario, der Zauberer) Gegenpol und Verbündeter. Eine zarte Romanze entspinnt sich. Am Ende bleibt es freilich interpretierbar, ob das Vertrauen oder der sichere Abstand gesiegt hat. Silvia Meisterle spielt die Rolle der Rynn sicher, präzise, einfühlsam, Stefano Bernardin ist ein brillanter Zauberer Mario …
Ein spannender Abend …
Rüdiger Rausch
Klein&Kunst Onlein – 22.02.2008
Ungewöhnlich kriminell ging es am 21. Februar 2008 im Theater der Jugend zu. … Klein&Kunst-Redaktrice Sylvie Wasshuber verfolgte das schaurige Spiel.
Eine unverschämte Vermieterin, ihr pädophiler Sohn, ein verantwortungsvoller Polizist mit Schmäh samt hinkendem Zauberer-Neffen, ein rätselhaft abwesender Vater und seine 13-jährige Tochter Rynn, der keine richtige Jugend mehr vergönnt ist: Grad brennen noch die Geburtstagskerzen auf der Torte des Neo-Teenies, schon muss sich das englische Girl die unmögliche Nachbarschaft in dem amerikanischen Vorort, in den sie gerade gezogen ist, vom Leibe halten. Und der Papa scheint halt immer zu beschäftigt, um seinem Mädel zur Seite zu springen, wenn ungewollter Besuch hereinschneit …
Der einzige Vorteil: Freund und Feind sind so schwarz-weiß gezeichnet, dass sie sich gut auseinanderhalten lassen. Nur in Rynn selbst wohnen – eher unfreiwillig – zwei Welten, die immer weiter auseinanderzudriften drohen.
Was harmlos mit dem Schmusen mit der Haustier-Ratte Gordon beginnt, wächst sich recht gschwind zu einem handfesten, spannenden Jugend-Krimi aus, bei dem eine Täterin auch derart Opfer ist, dass ihr der Zuschauer nur schwer die Sympathie entziehen kann. Denn um selbst zu überleben, muss Rynn schon mit allen Tees gewaschen sein – und richtig spekulieren, wem sie welche Tasse serviert …
Großartig TdJ-Routinière Silvia Meisterle als Rynn …
Sylvie Wasshuber