2006/2007
Rosa Riedl, Schutzgespenst 6 +
von Christine Nöstlinger
in einer Fassung von Ulla Theißen
Musik von Günter Lehr
Uraufführung
Stückinfo
Ort: | Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien |
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Zeitraum: | 25. November 2006 - 21. Dezember 2006 |
Premiere: | 28. November 2006 |
Regie: | Ulla Theißen |
»Nasti fragte: ›Rosa Riedl, wie schaust du denn aus? Oder schaust du gar nicht aus?‹ ›Ich hab einmal ausgeschaut‹, sagte die Rosa Riedl. ›Ganz durchschnittlich, normal. Ein bissl zu dick, also eigentlich viel zu dick. Und Plattfüße hab ich.‹«
Christine Nöstlinger
An ein »Leben nach dem Tod« mochte die Rosa Riedl nie so recht glauben. Wie sehr muss sie sich daher vor über 60 Jahren gewundert haben, als sie plötzlich als quicklebendiges unsichtbares »Schutzgespenst« wieder von der Straße aufgestanden ist, nachdem sie von einer Straßenbahn überfahren worden war. – Das Leben ist eben immer für eine Überraschung gut. Und die Rosa Riedl liebt Überraschungen.
Also beschließt sie, das Beste aus der Situation zu machen – und wenn man schon als »Schutzgespenst« neu geboren wird, was sonst als den Menschen helfen? Aber jemandem helfen ist leichter gesagt als getan!
Da ist zum Beispiel Nasti. Sie heißt in Wirklichkeit Anastasia und hat vor allem eines: Angst. – Vor dem Alleinsein, vor der Dunkelheit, vor grausligen Filmen im Fernsehen – eigentlich fürchtet sich Nasti immer … Was macht man nur mit so einem Kind? »Am besten sich selbst sichtbar!«, denkt sich kurzerhand die Rosa Riedl – und erscheint. Nasti trifft zwar fast der Schlag, aber wie andere Kinder einen Schutzengel haben, hat sie nun eben ab jetzt ein Schutzgespenst. Und was für eins! – Endlich lernt sie, wie es ist, Mut anstatt Angst zu haben und dass das Wort »Zivilcourage« im Leben nicht am Ende des Alphabets stehen sollte …
Doch plötzlich ist Rosa Riedl spurlos verschwunden, und der Helfenden muss geholfen werden!
Wie Nasti zusammen mit ihren Eltern und ihrer dicken Freundin Tina auf die Suche geht, turbulente Widrigkeiten meistert und zu guter Letzt auch noch ein Stückchen »Lebensweisheit« gewinnt, das erzählt diese Geschichte, ebenso was es heißt, wirklich für humanistische Ideale einzustehen.
Christine Nöstlinger, die Grande Dame der österreichischen Kinderliteratur, feiert im Herbst 2006 ihren siebzigsten Geburtstag – Grund genug sie auf der Bühne des Theaters der Jugend mit der Uraufführung ihres Kinderbuchklassikers zu würdigen!
Aufführungsrechte: Patmos Verlag, Düsseldorf
Besetzung
Rosa Riedl | Brigitte Kren |
Anastasia Sommer | Monika Haberfellner |
Annemarie Sommer | Regina Schweighofer |
Dr. Albert Sommer | Alexander Braunshör |
Tina Wokurka | Bettina Schwarz |
Frau Wokurka | Barbara Spitz |
Frau Dostal | Susanne Altschul |
Tommy Berger | Vincent Bueno |
Michel Steiner | Daniel Ogris |
Herr Haberl | Peter Steiner |
Herr Filzmeier | Klaus Rott |
Frau Berta | Peter Steiner |
Herr Dobrowolny | Peter Steiner |
Herr Schestak | Klaus Rott |
Zwei Müllmänner | Vincent Bueno, Daniel Ogris |
Unsichtbare Hände | Vincent Bueno, Daniel Ogris |
Musiker | Christoph Auer, Lenny Dickson, Thomas Hojsa |
Regie | Ulla Theißen |
Bühne und Licht | Tania Lauenburg |
Kostüme | Polly Matthies |
Musikalische Leitung | Günter Lehr |
Choreographie | Sabine Bartosch-Ziegler |
Dramaturgie | Gisa Fellerer |
Regieassistenz und Inspizienz | Michael Schachermaier |
Hospitanz | Clemens Pötsch |
Kritiken
Kronen Zeitung – 30.11.2006Witzige Oma geistert durch Wien
Mut, Beharrlichkeit und Zivilcourage lehrt mit komischen Mitteln die jüngste Produktion im Renaissancetheater: Zum 70. Geburtstag von Christine Nöstlinger hat Ulla Theißen »Rosa Riedl, Schutzgespenst« zu einer gar nicht verstaubten Musikkomödie umgearbeitet und mit vielen Theatertricks inszeniert.
Müllmänner, die den Blues in sich haben, eine fröhliche Geistererscheinung, ein Turnlehrer, dem die Luft ausgeht: Nöstlingers Typen der 70er Jahre wird mit Scherz und Satire Leben eingehaucht. Auch wenn sie dank Ulla Theißen nicht ins Heute verfrachtet werden. Orange-braune Tapeten, Vorhänge mit »wildem« Muster (Bühne: Tania Lauenburg): Spießigkeit und Restmief der Nachkriegszeit machen sich zwar breit, aber moralische Anstöße werden perfekt in Unterhaltung verpackt.
Theißen lässt den Figuren auch die österreichische, ja wienerische Diktion. Pointensicher! Erfrischend überhaupt, wie die deutsche Regisseurin (die unter anderem an der Universität der Künste in Berlin unterrichtet) hiesiges Lebensgefühl trifft.
Alptraum-Szenen hat Rosa Riedl vor und während des 2. Weltkrieges erlebt: erst als Mensch (der einem von Nazis und Bürgern gemarterten Juden zu Hilfe eilen wollte und dabei von der Tramway überfahren wurde) und dann als Geist mit Schutzfunktion. Und Kindern Zivilcourage beibringt. »Urwitzige Oma« (O-Ton aus dem Publikum) ist Brigitte Kren als pfiffige Rosa, die der ängstlichen Anastasia (Monika Haberfellner) hilft; komisch auch Bettina Schwarz als Tina und Barbara Spitz als Frau Wokurka … Theißen dirigiert das skurrile Ensemble mit Schwung durch eine Szenerie mit rasender Ratte, tanzenden Besen und klappernden Stricknadeln.
Thomas Gabler
Salzburger Nachrichten – 30.11.2006
Zum Geburtstag Christine Nöstlingers
Wer sich fürchtet, der hofft auf den Schutzengel. Aber wie arg ist es, wenn vor lauter Fürchten und Hoffen plötzlich ein Gespenst daherkommt! Dies passiert Anastasia, »Nasti« genannt, als ihre Eltern ausgegangen sind und sie allein vor dem Fernseher sitzt. Doch Nastis Angst ist unangebracht. Denn zu ihr kommt ein Schutzgespenst, das sich mit der Stimme einer fröhlichen, weisen Dame als Rosa Riedl vorstellt. Es ist der Geist jener Frau, die bis Ende des Zweiten Weltkriegs im selben Haus gewohnt hat.
Die Geschichte vom freundlichen Gespenst, das Kinder zur Zivilcourage ermuntert und fröhliche Episoden ebenso wie Erinnerungen aus der Nazi-Zeit erzählt, hat Christine Nöstlinger mit ihrem Kinderbuch »Rosa Riedl Schutzgespenst« geschaffen. Das Theater der Jugend in Wien spielt zu Ehren des 70. Geburtstags der österreichischen Autorin eine dramatisierte Fassung; Premiere war am Dienstag.
Regisseurin Ulla Theißen bringt die Geschichte schwungvoll und detailreich auf die Bühne. Von den Schauspielern erfreut vor allem Brigitte Kren als Rosa Riedl: eine kluge, fröhliche Verbündete von Kindern und jenen Erwachsenen, die Fantasie und Spielfreude bewahrt haben.
Für die Lieder spielt sogar neben der Bühne eine Band (musikalische Leitung: Günter Lehr) …
Hedwig Kainberger
Die Presse – 05.12.2006
Stricknadeln ganz ohne Oma
Nöstlingers »Rosa Riedl« im Theater der Jugend: Schwungvoll.
Anastasia alias »Nasti« allein zu Hause: Die Eltern sind ausgegangen, das Mädchen kauert vor dem Fernseher und sieht einen Krimi. Plötzlich bewegt sich ein Socken quer durch den Raum, und auch sonst wird Nasti die Dunkelheit unheimlich. So gerne hätte sie einen Schutzengel! Und plötzlich kommt eine Stimme aus dem Dunkel: »Geh, Madl, was schaust dir so an Schmarr'n an, wenn du weißt, dass du Angst kriegst?« Rosa Riedl, die 1938 von einer Straßenbahn überfahrene Hausmeisterin, geistert jetzt als Gespenst durch die Wohnhausanlage. Und setzt sich für die Schwachen und Unterdrückten ein. »I bin ka Engel, sondern ein Gespenst, aber von mir aus ein Schutzgespenst«, erklärt sie Nasti
Dass Christine Nöstlingers Roman »Rosa Riedl, Schutzgespenst« nicht an Aktualität verloren hat, zeigt Regisseurin Ulla Theißen mit ihrer schwungvollen Lesart: Da gibt es tanzende Müllmänner, von Zauberhand klappernde Stricknadeln, eine unsportliche Tina, die plötzlich Seilklettern kann, und sogar eine Band (musikalische Leitung: Günter Lehr), die die Lieder begleitet. »Reg dich! Beweg dich! Lass raus deine Wut! Trau dich! Wehr dich! Und sei so gut – auch wenn es sonst keiner tut!« – so der Refrain, der wie das gesamte Stück zur Zivilcourage aufruft.
Die Kinder sind von den singenden, turnenden Darstellern begeistert: Allen voran Rosa Riedl, die von Brigitte Kren mit herbem Charme und viel Augenzwinkern dargestellt wird, Monika Haberfellner als immer mutiger werdende Anastasia ist ohnehin die Sympathieträgerin der Kinder. Dass Peter Steiner als bösartiger Lehrer und Susanne Altschul als grantelnde Nachbarin am Schluss ausgebuht werden, spricht für ihre schauspielerische Leistung. Die deutsche Regisseurin lässt die Geschichte in der Zeit stattfinden, in der sie geschrieben wurde, in den Siebzigerjahren, auch das trägt zum Flair der Aufführung bei: psychedelische Tapeten, grün-braun-orange-Streifenmuster, Spießer-Eltern.
Daniela Tomasovsky
Der Standard – 05.12.2006
Ist machbar, Herr Nachbar!
»Rosa Riedl, Schutzgespenst« von Christine Nöstlinger im Theater der Jugend: Prinzip Zivilcourage.
Christine Nöstlinger konfrontiert in »Rosa Riedl, Schutzgespenst« eine entgleisende Gegenwart mit den Vitalitätsresten einer heillosen Vergangenheit. Eine 1938 anlässlich einer couragierten Rettungstat für einen bedrängten Juden ums Leben gekommene Hausmeisterin (Brigitte Kren) lehrt im Tone einer Trafikantin im Renaissancetheater die Wohlstandskinder hysterischer Alltagsbewältiger das Prinzip Zivilcourage.
Diese gespenstige Dame ist nicht besser als der Rest dieser Pop-Art-Welt – sie huldigt nur dem ausgeprägteren Realitätssinn. Courage ist machbar, Herr Nachbar! Zu loben sind in Ulla Theißens niemals betulicher Regie ein paar prachtvolle Knatterchargen (Susanne Altschul, Klaus Rott) als Mentalitätsseiltänzer. Und man erlebt in einer rundum erfreulichen Veranstaltung des Theaters der Jugend auch die Grenzen der Pädagogik: Wenn Kinder lachen, bloß weil von jemandem gesagt wird, er putze mit der Zahnbürste das Pflaster!
Pohl
Wiener Zeitung – 30.11.2006
Zivilcourage
m Programmheft zu »Rosa Riedl, Schutzgespenst«, der neuen Produktion des Theaters der Jugend, gibt es einen Test, dessen Lösung lautet: Zivilcourage. Und um Zivilcourage geht es in dieser Geschichte von Christine Nöstlinger: Ein ängstliches Schulmädchen lernt sich für andere einzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. Lehrmeisterin ist das Schutzgespenst Rosa (hinreißend gespielt von Brigitte Kren). […] Hervorragend ist das Schauspielerteam, vor allem Monika Haberfellner, Bettina Schwarz, Susanne Altschul und Vincent Bueno.
Plakativ lehrreich.
Lona Chernel