2005/2006
Der geheime Garten 6 +
von Thomas Birkmeir
nach dem gleichnamigen Roman von Frances Hodgson Burnett
Uraufführung
Stückinfo
Ort: | Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien |
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Zeitraum: | 18. Februar 2006 - 14. März 2006 |
Premiere: | 21. Februar 2006 |
Regie: | Thomas Birkmeir |
»… Ich frage mich die ganze Zeit: ›Was ist es, das die Dinge treibt und zieht?‹
Frances Hodgson Burnett. Der geheime Garten
Es muss etwas sein. Es kann nicht nichts sein. Ich kenne seinen Namen nicht, also nenne ich es Magie. …«
Bis jetzt hat es das Leben nicht gut gemeint mit Mary: Nachdem sie in Indien bei einem Erdbeben ihre Eltern verloren hat, soll sie nun in einem düsteren englischen Schloss bei ihrem mürrischen Onkel Lord Craven ihr neues Zuhause finden. Nicht nur, dass sie beginnen muss, sich in einer fremden Welt zurechtzufinden, das Schloss birgt auch so manches verborgene Geheimnis. Denn Mary entdeckt, dass sie nicht das einzige Kind in diesem Haus ist: Es gibt da noch jemanden, den gleichaltrigen Colin, ihren Cousin, der durch eine seltene Krankheit ans Bett gefesselt und mit Hilfe einer ganzen Schar von Hauspersonal von der Außenwelt ferngehalten wird. Dabei ist das Draußen so interessant! Gemeinsam mit dem urwüchsigen Bauernsohn Dickon hat Mary einen verwilderten Garten gefunden, der seit langer Zeit nicht mehr betreten werden darf und der von den Kindern bald zu neuem Leben erweckt werden soll …
Die englisch-amerikanische Autorin Frances Hodgson Burnett, hierzulande besonders bekannt durch ihren Roman »Der kleine Lord«, hat nicht nur eine Geschichte über drei starke Kindercharaktere verfasst, sondern benennt gleichzeitig ein Geheimnis, das alle Kinder gegenüber Erwachsenen haben: ihren eigenen Ort, ihren eigenen Besitz, in welchem sie frei und unabhängig tun und lassen können, was ihnen das wirkliche Leben noch vorenthält.
Besetzung
Mary | Silvia Meisterle |
Colin | Dennis Cubic |
Dickon | Simon Jaritz |
Lord Craven | Bernhard Majcen |
Mrs. Medlock | Barbara Spitz |
Martha Cunningham | Seraphine Rastl |
Ben Weatherstaff | Horst Eder |
Soldat | Sebastian Pass |
Eisenbahnbeamter | Horst Eder |
Mädchen | Seraphine Rastl |
Erster Junge | Dennis Cubic |
Zweiter Junge | Simon Jaritz |
Erste Ayah | Barbara Spitz |
Zweite Ayah | Seraphine Rastl |
Diener | Sebastian Pass |
Schatten der Mutter | Katrin Stichauner |
Schatten des Vaters | Bernhard Majcen |
Stimme des Majors | Simon Jaritz |
Regie | Thomas Birkmeir |
Bühnenbild | Andreas Lungenschmid |
Kostüme | Irmgard Kersting |
Musik | Klaus Erharter |
Lichtgestaltung | Lukas Kaltenbäck |
Dramaturgie | Marlene Schneider |
Assistenz und Inspizienz | Sebastian Hellinger |
Hospitanz | Paul Ertl |
Kritiken
Salzburger Nachrichten – 23.02.2006Zum Blühen bringen
Thomas Birkmeir schafft prächtiges junges Theater: Der Direktor des Theaters der Jugend hat seine Fassung des Romans »Der geheime Garten« selbst inszeniert.
Diese Frau richtet ihr Gewehr auf unschuldige Rotkehlchen und ihr Mundwerk auf unschuldige Kinder. Dass sie es mit vornehmem britischem Akzent tut, ändert nichts an ihrer Gefährlichkeit. Die Kinder im Publikum sind sich bei der Premiere von »Der geheime Garten« im Renaissancetheater Wien einig: Diese Hexe muss weg, damit die Kinder auf Schloss Misselthwaite endlich wieder glücklich sein können!
Doch auf dem Weg zum guten Ende liegen einige große Steine, und das hat sein Gutes: Die Kinder im Schloss haben Zeit, im langwierigen Kampf gegen Ungerechtigkeit und Tristesse heranzuwachsen wie die Pflanzen im geheimen Garten. Und die Kinder im Publikum können knapp zwei Stunden lang eine dichte, spannende und bei aller Tragik auch sehr witzige Inszenierung genießen.
Grundlage von Thomas Birkmeirs Theaterfassung für das Theater der Jugend ist Frances Hodgson Burnetts 1909 veröffentlichter Roman »Der geheime Garten«. Ein verbitterter Erwachsener wird durch kindliche Liebe und Unbekümmertheit ins Leben zurückgeführt. Leicht kann dieses Motiv ins Süßlich-Kitschige abgleiten, doch Birkmeir hat in seiner Inszenierung angenehm klare, schlichte und doch gefühlvolle Bilder gefunden.
Es kracht, eine Säule stürzt um, und dann ist es still. Niemand kommt, als Mary ruft. Für das verwöhnte Mädchen, das mit seinen Eltern in Indien lebt, bricht bei dem Erdbeben die Welt zusammen. Mary muss zu ihrem Onkel auf ein englisches Schloss ziehen, doch auch dort sieht es finster aus. Der Garten, einst ein Paradies auf Erden, ist versperrt, die Tür ist von Efeu überwuchert.
Ein Unglücksfall war schuld an der Vertreibung aus dem Paradies: Die schwangere Lady Craven ist von der Schaukel gestürzt. Bevor sie stirbt, bringt sie ihren Sohn noch zur Welt. Doch Colin beginnt nie richtig zu leben. In seinem verdunkelten Zimmer dämmert er vor sich hin. Und auch sein Vater ist an Körper und Seele so schwer beschädigt, dass er sein Kind nur sehen möchte, wenn es schläft.
Einmal mit ängstlicher, dann mit trotziger Miene irrt Silvia Meisterle als Mary durch das raffiniert einfache Bühnenbild von Andreas Lungenschmid. Die mauerähnlichen Bögen lassen Durchgänge frei, durch die auch Betten herbeigleiten oder Äste hereinwachsen. Schwarz-Weiß-Bilder auf einer versenkbaren Projektionsfläche erinnern wie Irmgard Kerstings Kostüme an die Entstehungszeit des Romans.
Auch mit allen anderen Schauspielern hat Thomas Birkmeir sorgfältig gearbeitet. Am doch noch guten Ende, als der Garten wieder erblühen kann, gibt es viel Applaus.
Christina Rademacher
Wiener Zeitung – 24.02.2006
Ein Ort der Träume
Jeder Mensch braucht einen Ort an dem er träumen kann, einen Platz, wo Wünsche in Erfüllung gehen: die Fantasie. Kinder, die ihr Leben noch nicht selbst bestimmen können, brauchen diese Stätte, die ungeahnte Möglichkeiten zu erschließen scheint, besonders dringend. So erklärt sich wohl auch der überwältigende Erfolg von Frances Hodgson Burnetts Buch »Der geheime Garten«.
Thomas Birkmeir hat nun eine Bühnenfassung des Romans erstellt, sie auch selbst inszeniert und verwandelte das Ganze in ein zaubrisches Spiel voll Sehnsucht, Zärtlichkeit, voll Mut, Kraft und Lebensfreude. Andreas Lungenschmid baute ihm dazu großartige Bühnenbilder, Licht (Lukas Kaltenbäck), Musik (Klaus Erharter), Kostüme (Irmgard Kersting) unterstützen bestens.
Hervorragend ist das Darstellerteam, angeführt von der temperamentvollen Silvia Meisterle, dem überzeugenden Simon Jaritz und dem witzigen Dennis Cubic, Kindertheater vom Feinsten.
Lebensbejahend.
Lona Chernel
Kronenzeitung – 23.02.2006
Blättern im Bilderbuch
Etwas rückwärtsgewandt und wohl darum beim kleinen Publikum bestens angekommen ist Thomas Birkmeirs Adaption von Frances Hodgson Burnetts Kinderbuch-Klassiker »Der geheime Garten«. Der emsige Hausherr des Theaters der Jugend entführt in eine nostalgische, aber keinen Moment heile Bilderbuchwelt.
Das Menschheitsgift, das Burnetts kleine Mary weinen lässt, macht auch das junge Publikum bei der Premiere aufgeregt: das Autoritäre der Mrs. Medlock, der listig-bösen Gouvernante. Gottlob ist das passé. Klar, dass alle Sympathien das Waisenkind Mary, der Gärtnerjunge Dickon und der hypochondrische Cousin Colin gewinnen.
Vom Licht Indiens ins düster-graue England des Vorfrühlings verschlägt es Burnetts kleine Heldin Mary: Es sind poetische Szenen der Klappbilderbücher, die Thomas Birkmeir (als Bearbeiter und Regisseur) mit seinem Bühnenbildner Andreas Lungenschmid auf die Bühne des Renaissancetheaters zaubern. Papiertheater im Großformat, das Birkmeirs bewährtes Ensemble quicklebendig mit jugendlichem Aberwitz und Überschwang belebt.
Silvia Meisterle (»very British«), Dennis Cubic und Simon Jaritz als kindliches Trio mit Fluchtpunkt Garten sehen rot bei Mrs. Medlocks, Peitsche und Befehle schwingender Gemeinheit. »Oh, ist die garstig«, seufzt ein Stimmchen nebenan: Barbara Spitz macht das famos auf Domina-Art. Aber mehr erzählt, das wäre zu viel verraten!
TG
Kurier – 27.02.2006
Alles richtig gemacht
Wenn jubelnde Kinder nach dem Happy-End »Zugabe! Zugabe!« rufen, dann hat das Theater der Jugend alles richtig gemacht. Und genau das ist der Fall bei Thomas Birkmeirs kluger, kindgerechter Adaption von Frances Hodgson Burnetts Roman »Der geheime Garten«, bei der Intendant Birkmeir im Renaissancetheater auch gleich als Regisseur fungiert.
In ruhigen, teils sehr poetischen Bildern – Andreas Lungenschmid zeichnet für das atmosphärisch stimmige Bühnenbild verantwortlich – erzählt Birkmeir die Geschichte des Waisenkindes Mary, das im grauen England erst wieder Lebensmut finden muss. Dass Mary dabei nicht nur einen Hypochonder kurieren, eine böse Haushälterin domestizieren und einen Garten kultivieren muss, sondern auch noch die erste große Liebe findet, versteht sich.
Völlig zurecht vertraut Birkmeir bei all diesen Irrungen auf sein wunderbares Ensemble, das von Silvia Meisterle als berührende, sensible Mary angeführt wird. Aber auch Dennis Cubic als eingebildeter Kranker und Simon Jaritz als Marys bodenständiger Verehrer überzeugen. Dazu kommen Seraphine Rastl, Barbara Spitz, Bernhard Majcen und Horst Eder, die in höchster Spiellaune für Witz und Tiefgang sorgen. Gut so.
Peter Jarolin
Die Presse – 28.02.2006
Im düsteren Schloss blüht die Fantasie
Jubel, Stampfen, stehender Beifall nach dem Ende der Aufführung »Der geheime Garten«, die Intendant Thomas Birkmeir im Theater der Jugend als Bühnenfassung des Jugendromans von Frances H. Burnett inszeniert hat: Artig verbeugen sich die Helden, doch dann kommt die Haushälterin Mrs. Medlock (Barbara Spitz) auf die Bühne. Die Entrüstung des Publikums lässt sie fast zurückprallen. Die Zuschauer, von sechs Jahren aufwärts, unterscheiden noch nicht zwischen der Leistung der Schauspielerin und dem Bösen, das sie repräsentiert. Demnach hat Spitz die Rolle der Bigotten gut gespielt, so wie die übrigen Ensemble-Mitglieder eine tolle Leistung boten. »Zugabe!«, fordern die Kinder nach zwei Stunden bester Unterhaltung.
Es kracht und blitzt sehr oft in dem düsteren englischen Schloss (Bühne: Andreas Lungenschmid), in das es die Waise Mary (bezaubernd Silvia Meisterle) aus Indien verschlagen hat. Vorerst dominiert das Leid. Marys Onkel Lord Craven (Bernhard Majcen) trauert um die verstorbene Gattin, sein Sohn Colin (Dennis Cubic) ist ans Bett gefesselt. Nur das Personal bleibt fröhlich zuversichtlich: der in Mary verliebte Dickon (Simon Jaritz), dessen Schwester Martha (Seraphine Rastl) und der alte Ben Weatherstaff (Horst Eder) signalisieren, dass alles gut wird. Das Symbol für die Hoffnung ist der geheime Garten, der seit dem Tod der Lady brachliegt. Mary und Dickon bringen ihn zum Blühen, ihre junge Liebe reift, und sie tragen zur Genesung des eingebildeten Kranken bei. Lebhaft und zugleich poetisch gespielt.
norb