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  • Die rote Zora und ihre Bande Die rote Zora und ihre Bande
 

2003/2004

Die rote Zora und ihre Bande 6 +

von Kurt Held
in einer Fassung von Thomas Birkmeir


Österreichische Erstaufführung

Stückinfo

Ort: Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien
Zeitraum: 07. Oktober 2003 - 08. November 2003
Premiere: 08. Oktober 2003
Regie: Thomas Birkmeir

»Uskoken, seid immer bereit!«

Kurt Held. Die rote Zora

Ein Mädchen als Anführerin einer Bande? Das kann nicht gut gehen! – Es kann!

Hoch über der kroatischen Küste in einer alten Burg haust die rothaarige und sommersprossige Zora mit ihren wilden Jungs – und sie nennen sich die »Uskoken«: »Denn die Uskoken waren viele Jahrhunderte die größten Helden von Kroatien.« Vergessen oder verlassen von ihren Eltern haben die Kinder ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und sich zusammengeschlossen, um stark zu sein. Sie ärgern die hochnäsigen Gymnasiasten, spielen den gar nicht so anständigen Bürgern von Senj so manchen Streich. Denn weil die Gesellschaft keinen Platz für die rote Zora und ihre Bande hat, beginnen sie die Gesetze eben dieser Gesellschaft zu hinterfragen.

Obwohl das Leben in der »Notgemeinschaft« einer Bande auch ihre Tücken besitzt, gelingt es den Kindern, trotz der widrigen Umstände ihr Leben zu fristen, ohne dabei die eigenen Ideale, wie man miteinander umgehen könnte, zu verraten.

Als die Bevölkerung beginnt, sich gegen die »Uskokenplage« zu wehren, erkennt einzig der Fischer Gorian, dass das Unrecht bestimmt nicht auf Seiten der Kinder liegt.

Und es gab sie wirklich: Zora La Roquette, ein minderjähriges Mädchen als Anführerin einer Bande im Jugoslawien der 40er Jahre, verfolgt von der Polizei, die ihr allerdings nichts nachweisen konnte. – Kurt Held begegnete ihr während seiner Flucht vor den Nazis.

Als gerechte Heldin wurde die rote Zora mit Robin Hood und Karl Moor verglichen. Und eben weil sie sich den Zwängen und Normen der Erwachsenenwelt entzogen hat, bezeichnete man sie als die große Schwester der Pippi Langstrumpf.

Kurt Held hat mit seiner dalmatinischen Erzählung ein engagiertes Plädoyer für die Rechte der Kinder verfasst, das nicht umsonst zu den Klassikern der Kinderliteratur zählt.


Aufführungsrechte: Verlag für Kindertheater Uwe Weitendorf, Hamburg.

Besetzung

Branko Babitsch Benjamin Zobrys
Zora Silvia Meisterle
Duro Simon Jaritz
Nicola Josch Russo
Pavle Daniel Wagner
Kata, Brankos Großmutter Klaus Rott
Milan Babitsch, Brankos Vater Eduard Martens
Anka Babitsch, Brankos Mutter Barbara Kaudelka
Gorian, ein alter Fischer Horst Eder
Pletnic, ein Wirt/Radic, ein Fischer Johannes Kaiser
Karaman, ein reicher Bürger Peter Steiner
Ivekovic, Bürgermeister von Senj Klaus Rott
Begovic, ein Gendarm Herbert Pendl
Stjepan, ein Junge aus Brinje Hannes Perkmann
Zlata, Tochter des Bürgermeisters Barbara Kaudelka
Elena, eine Gymnasiastin Zeynep Buyrac
Brozovic, ein Gymnasiast Julian Loidl
Ivekovic, Sohn des Bürgermeisters Eduard Martens
Karaman, ein Gymnasiast Alexander Lang
Marculin, ein Gymnasiast Pegah Kazemi Mehr Jordi
Skalec, ein Gymnasiast Katharina Straßer
Smoljan, ein Gymnasiast Katja Gerstl
Erzähler, Bewohner von Senj Zeynep Buyrac, Horst Eder, Katja Gerstl, Pegah Kazemi Mehr Jordi, Johannes Kaiser, Barbara Kaudelka, Alexander Lang, Julian Loidl, Eduard Martens, Herbert Pendl, Hannes Perkmann, Klaus Rott, Peter Steiner, Katharina Straßer
Musiker Klaus Erharter, Wolfgang Erharter, Peter Strutzenberger
Ein Teil des jüngeren Ensembles sind Studierende des 2. Jahrgangs am Konservatorium der Stadt Wien, Abteilung Schauspiel (Ltg. Ksch. Prof. Elfriede Ott).
Regie Thomas Birkmeir
Komposition und musikalische Einstudierung Klaus Erharter
Bühnenbild Thomas Birkmeir und Gudrun Lenk-Wane
Kostüme Irmgard Kersting
Lichtgestaltung Lukas Kaltenbäck
Dramaturgie Gisa Fellerer
Assistenz Eva Maria Gsöllpointner/Alexandra Fischer
Inspizienz Alexandra Fischer

Kritiken

Die Presse – 10.10.2003

Knallig rote Melancholie

Die rote Gefahr sitzt in der alten Burg über der Stadt. Die Bürger verfolgen sie, weil sie eine »Krankheit« ist. Wer diese Gefahr ist? Ein Mädchen namens Zora. Die »rote Zora« mit ihrer Bande.

1941 erschien Kurt Helds Kinderbuch-Klassiker über eine Gruppe juveniler Außenseiter, die sich ihr Recht selbst verschaffen: stehlen, um ihren Hunger zu stillen, raufen, um die Unschuldigen zu rächen. In der Bühnenfassung vom Leiter des »Theaters der Jugend«, Thomas Birkmeir, wirkt die Geschichte gänzlich unverstaubt.

»Wir sind jetzt fünf. Wie die fünf Finger, die ich habe. Und wenn ich die balle, habe ich eine richtig schöne Faust«, sagt Pavle, einer von Zoras Burschen, als Branko (melancholisch: Benjamin Zobrys) nach dem Tod seiner Mutter zur »Gang« stößt. Ganz schön martialisch. Aber dann: Pavle (der sensible Gewichtheber: Daniel Wagner) zeigt Branko seine Sportlerfotos, Nicola (Josch Russo) zeigt seine Filmstarfotos, Duro (kämpferisch: Simon Jaritz) seine Schmetterlingssammlung: »Den solltest du in der Sonne glänzen sehen.« So gar keine Ungeheuer sind's, die die Stadt tyrannisieren.

Nur einer macht sich Gedanken darüber, warum sie stehlen. Nur einer fragt, was es für die Gesellschaft bedeutet, dass sie Kinder ins Gefängnis stecken will, anstatt sich anständig um sie zu kümmern. Der alte Fischer Gorian (bodenständig menschlich: Horst Eder), selbst von der Gesellschaft, vom korrupten Bürgermeister (mafiös: Klaus Rott), ausgetrickst, schließt sich der Bande an - und zähmt sie. Zähmt die »Rote Zora« (kraftvoll: Silvia Meisterle), und ihre »Wut auf die (Erwachsenen)-Welt«, die für sie bisher nur Ungerechtigkeit zu bieten hatte.

Die Figuren geschliffen gezeichnet, die Dramaturgie (die Stadtbewohner als Chor, der die Geschichte erzählt) kurzweilig, die melancholisch-spritzigen Balkanklänge von der Live-Band, alles ergibt eine mitreißende, farbenfrohe Aufführung. Das Pathos der Lebensfreude am Ende verzeiht man, wenn sich die feuerroten Dreadlocks der Bandenführerin knallig schön vom blauen Bühnenhimmel abheben.

cb


Kronen Zeitung – 10.10.2003

Abenteuer mit Moral

Frischer Wind bläst im Theater der Jugend seit der Übernahme der Leitung durch Thomas Birkmeir im Vorjahr. Auch zum Start seiner zweiten Saison setzt der junge Hausherr auf ein Lehrstück ohne mahnenden Zeigefinger: Er widmet sich als Bearbeiter und Regisseur Kurt Helds »Die rote Zora und ihre Bande«.

Für die abenteuerlustige Jugend der Nachkriegszeit war Kurt Helds Kinderbuch ein Objekt zur Flucht aus der bieder-autoritären Familienwirklichkeit. Heute, Jahrzehnte später, hält die Geschichte vom kroatischen Mädchen mit den roten Haaren, das mit seinen vier Freunden den Fischerort Senj unsicher macht, für das Werben um Verständnis für Neuankömmlinge her. Und dient als idealer Appell gegen die Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen. Denn noch immer heißt Zuwendung das Zauberwort. Und Liebe.

Birkmeir hat aus dem dicken Schmöker die Quintessenz für das Renaissancetheater herausgefiltert. Er setzt auf Milieugenauigkeit und atmosphärische Dichte. Unter Mithilfe von Studierenden des Konservatoriums der Stadt Wien (Klasse Elfriede Ott) inszeniert er einen Überlebenskampf Jugendlicher in einer »geschäftstüchtigen« Welt der Erwachsenen ohne Schönfärberei oder Mittelmeeridylle.

Als Nachfahren der Uskoken, der »Helden Kroatiens« stibitzen Zora (Silvia Meisterle) und ihre Bubentruppe mit Branko (Benjamin Zobrys), Duro (Simon Jaritz), Nicola (Josch Russo) und Pavle (Daniel Wagner) Hühner und anderes gegen den Hunger.

Ihr Gerechtigkeitssinn erstarkt, als dem alten Fischer Gorian (Horst Eder) vom korrupten Bürgermeister (Klaus Rott) die Fischereirechte entzogen werden. Mit Schelmenstreichen, stinkenden Fischen und kindlichem Mut zur Wahrheit, aber auch mit harter Arbeit wecken sie die Bevölkerung im Küstenkaff auf.

Das Abenteuer mit seiner Moral endet im Jubel der »Kids« für die Guten und im Gezischel für die Bösen: Auch sie werden erwachsen - und wohl vieles vergessen!

Thomas Gabler


Kurier – 10.10.2003

Kampf der Freigeister

Sie haben kein Zuhause, nichts zu essen und werden von der feinen Dorfgesellschaft wie Aussätzige behandelt: Denn Zora und ihre vierköpfige Bande sind Heimatlose, Verstoßene, die sich im kroatischen Küstendorf Senj mit Diebstählen durchs Leben schlagen. Nur der alte Fischer Gorian - selbst ein Querkopf und Freigeist - steht den Kindern bei. Gemeinsam zieht man in den Kampf gegen bornierte Spießbürger und korrupte Polit-Propanzen.

Mit seiner eigenen Adaption von Kurt Helds Roman »Die rote Zora und ihre Bande« hat Regisseur Thomas Birkmeir seine zweite Saison als Intendant des Theaters der Jugend eröffnet und dabei im Renaissancetheater nicht mit Sozialkritik gespart. Ein paar kahle, schmutzige Wände (Bühnenbild: Gudrun Lenk-Wane und Birkmeir) sowie wenige Requisiten - mehr braucht der Regisseur nicht, um Zoras Abenteuer zu erzählen. Dass allen Kampf- und Jagdszenen zum Trotz vor allem die leiseren Momente überzeugen, liegt an den Darstellern. So führen Silvia Meisterle als forsche Zora und Benjamin Zobrys als sympathischer Branko die Bande souverän an; Simon Jaritz und Horst Eder (herrlich kantig als Fischer Gorian) liefern feine Charakterstudien ab.

Peter Jarolin


Wiener Zeitung – 10.10.2003

Kinder ohne Beschützer

Die Aufführung ist brillant. Regisseur Thomas Birkmeir entfesselt wieder einmal ein Feuerwerk. Furios schafft er Atmosphäre, sorgt für Dynamik, für Kraft und für Zartheit und führt sein junges Darstellerteam so gekonnt, dass man die erfahrenen Vollprofis von den noch unerfahrenen Anfängern nicht unterscheiden kann. Alle sind sie voll Temperament und Spiellaune, sind sie facettenreich und präsent.

Hervorragend sind Silvia Meisterle als Zora, Benjamin Zobrys als Branko, Simon Jaritz, Josch Russo, Daniel Wagner. Reizend ist Barbara Kaudelka als energisches, kluges, reiches Mädchen. Sehr berührend verkörpert Horst Eder den kämpferischen Fischer, der als Einziger den Kindern hilft, farbig sind Klaus Rott, Johannes Kaiser, Peter Steiner, Herbert Pendl. Viel Talent zeigen Hannes Perkmann und Eduard Martens. Bühnenbild (Thomas Birkmeir/Gudrun Lenk-Wane), Kostüme (Irmgard Kersting), Lichtgestaltung (Lukas Kaltenbäck), Musik (Klaus Erharter) tragen wesentlich zur Oppulenz der höchst gelungenen Aufführung bei.

Lona Chernel