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2003/2004

Cinderella passt was nicht 6 +

Ein ziemlich schräges Märchenmusical
von Thomas Zaufke (Musik) und Peter Lund (Text)


Gastspiel der Neuköllner Oper Berlin

Stückinfo

Ort: Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien
Zeitraum: 07. Januar 2004 - 27. Januar 2004
Premiere: 08. Januar 2004
Regie: Peter Lund

»Was nützt es, wenn man sagen darf, was man denkt, wenn keiner einem zuhört?«

Peter Lund. Cinderella passt was nicht

Aufruhr in Mausehausen! Gräfin Tita hat Sorgen: Das Geld ist weg, und wenn nicht eine ihrer Töchter demnächst eine gute Partie macht, dann folgt das hübsche Stadtschloss dem Geld nach. Doch leider ist Johanna – im Gegensatz zu ihrer Schwester Erna – ein bisschen zu klug und will weder von Männern noch vom Heiraten was wissen.

Prinz Hamlet macht seiner königlichen Mutter Viktoria ähnliche Sorgen. An seine Heirat ist nicht zu denken, und König werden will er schon gar nicht, denn Prinz Hamlet ist Sozialist: Wenn es nach ihm ginge, wären alle Untertanen freie Mäuse. Und als sich auch noch die Fee Aurora in die Geschichte einmischt, wird alles noch komplizierter, denn die hat eine eigene Auffassung davon, wie man heutzutage an einen richtigen Prinzen kommt. Und überhaupt ist nichts mehr so wie damals, als Königin Viktoria ihre gläsernen Pumps auf der Schlosstreppe verloren hatte und gut erzogene Prinzen noch wussten, was man damit anfängt.

Mit warmherziger Ironie haben Thomas Zaufke und Peter Lund im reichen Fundus von Grimm bis Disney – aber beileibe nicht nur dort – lustvoll geplündert und die bekannte Geschichte der Aschenmaid neu aufgebröselt. Quasi in der zweiten Generation gehen gleich vier »Cinderellas« der schwierigen Frage nach, wie man seinen eigenen Stern erkennt und wie man es bloß anstellt, ihm gegen alle wohlmeinenden Einmischungen zu folgen.

»Cinderella passt was nicht« war in der Kinder- und Jugendtheaterszene ein viel beachteter Erfolg aus der Werkstatt der Neuköllner Oper, der nun als Gastspiel seinen Weg nach Wien findet.


https//www.neukoellner-oper.de/

Besetzung

BESETZUNG
Johanna Lynne Williams
Prinz Hamlet Joachim Benoit
Erna Kathrin Unger
Heinrich Tilmann von Blomberg
Gräfin Tita Silvia Bitschkowski
Königin Viktoria Ilka Sehnert
Aurora Klaus Brantzen
BAND
Tasteninstrumente Hans-Peter Kirchberg
Klarinette / Flöte Jochen Settili
Fagott Monica Zier
Kontrabass / Gitarre Ralph Gräßler
Percussion Carolina Bigge, Olaf Taube
Regie Peter Lund
Musik Thomas Zaufke
Musikalische Leitung Hans-Peter Kirchberg
Bühnenbild Ulrike Reinhard
Licht Nikolaus Vögele, Manfred Arlt
Kostümbild Heide Schiffer-El Fouly
Regieassistenz Mareike Voss
Spielleitung Regina Triebel, Mareike Voss
Inspizienz Eva Maria Gsöllpointner

Kritiken

Kronen Zeitung – 10.01.2004

Tumult in Mausehausen

Ein »ziemlich schräges Märchenmusical« aus Berlin begeistert Wiens Nachwuchs. Mit tosendem Applaus beim ersten Kuss und »Zugabe«-Rufen endete die Premiere des Gastspiels der Neuköllner Oper im Renaissancetheater. Thomas Zaufkes und Peter Lunds »Cinderella passt was nicht« ist klug, witzig, ja »urkomisch«.

Aschenbrödel ist erwachsen geworden, heißt Königin Viktoria und hat einen Sohn: Prinz Hamlet. Der hat ein soziales Gewissen und will sein Mäusevolk befreien, muss aber verheiratet werden – Heiratspolitik statt Sozialpolitik … Thomas Zaufke (Musik) und Peter Lund (Text) haben das Märchen in amüsanter Art fortgedacht, denn nun ist die nächste Generation an der Reihe. Bei Cinderella Nr. 2 mit Namen Johanna, einem trotzig-energischen, etwas altklugen Geschöpf, sind eigenständiges Denken und Handeln angesagt. Die Sache klingt ernster, als sie sich präsentiert. Foxtrott tanzende Mütter mit Ehe-Visionen für den Nachwuchs, eine singende, überaus charmante Mäusebande und ein schwarzer Ritter bringen Aufregung und Tumult ins Schloss und in den Ort Mausehausen. Bis es »Ping« macht, jeder seinen Stern findet und sich die Liebe zwischen Mäusen, Halbmäusen und Menschen einstellt. Und mütterlicher Schock der Freude weicht.

Peter Lund (Text und Regie) und der Komponist Thomas Zaufke – er schuf einen launigen Musik-Verschnitt aus Oper, Operette und Popmusik – gelang ein auch szenisch wunderbar umgesetzter Appell für die Toleranz, für die Liebe und das Leben überhaupt. Da wird in der guten, aber tollpatschigen Fee Aurora (Klaus Brantzen) Cinderellas sorgenvoller Vater erkennbar. Oder kriegt der Diener Heinrich (Tilmann von Blomberg) seine Erna (stimmsicher beim Opernton: Kathrin Unger) und bürgerliches Glück dazu. Lynne Williams als Johanna revoltiert mit Zorro-Maske und Papas Degen und schafft nächtliche Verwirrung im Schloss. Und bei Prinz Hamlets, bei Joachim Benoits jugendlichen Gefühlen. Zu bemitleiden ist, wer Böses dabei denkt!

Thomas Gabler


Kurier – 10.01.2004

Wenn auf der Bühne alles passt

In der letzten Spielzeit hat Peter Lund im Theater der Jugend mit »Jumping Jack« für einen Höhepunkt gesorgt; in dieser Saison gastiert die famose Truppe mit dem »Elefantenmensch« und eben mit »Cinderella passt was nicht« in Wien. Ihrem Stil aber sind die Gäste treu geblieben: Intensives, spannendes Theater, das Jung und Alt gleichermaßen zu fesseln weiß.

VIRTUOS Lund (Text, Regie) und Thomas Zaufke (Musik) legen ihre flotte »Aschenbrödel«-Adaption als »ziemlich schräges Märchenmusical« an, spielen virtuos mit literarischen und musikalischen Versatzstücken. Eine dreigeteilte, klug arrangierte Bühne (Ulrike Reinhard), ein gutes Orchester (Leitung: Hans-Peter Kirchberg) und eine »Berliner Schnauze« – mit spielerischer Leichtigkeit transferieren die Neuköllner das Märchen ins Heute.

Da geben vorlaute (Handpuppen-)Mäuse böse Kommentare ab, da singen Königinnen vom fernen Glück, tritt eine väterliche Fee als Drag Queen auf, findet sogar eine dümmliche Tussi die »Halbmaus« fürs Leben.

Witzig, schrill, bunt, charmant und entzückend, denn Lund und sein Team erzählen die Geschichte trotz aller Spitzen kindgerecht, können auf ihr Ensemble bauen. Lynne Williams (Cinderella), Joachim Benoit (Hamlet), Kathrin Unger, Tilmann von Blomberg, Silvia Bitschkowski, Ilka Sehnert sowie Klaus Brantzen toben sich nach Herzenslust aus, bringen das Publikum (noch bis 29. Jänner) zum Toben. Zugabe inklusive! Schön.

Peter Jarolin


Wiener Zeitung – 12.01.2004

Die Kids riefen nach »Zugabe«

Sie ist sehr ausgeflippt, die Produktion, mit der die Neukölner Oper Berlin jetzt im Renaissancetheater gastiert. "Cinderella passt was nicht" war in Berlin eine höchst erfolgreiche Kindertheaterproduktion, obschon man den Eindruck nicht los wird, ursprünglich wäre das Ganze als turbulenter Spaß für Erwachsene gedacht gewesen.

Die Geschichte um die störrische Nichte des ehemaligen Aschenbrödels (jetzt eine dickliche Königin, die noch immer an die Liebe glaubt) und den Prinzen Hamlet, der nicht König werden will, wird von Peter Lund brillant erzählt und wurde von ihm mit Witz, Schwung und tollen Einfällen inszeniert. Die an solch »Exotisches« nicht gewöhnten Wiener Kinder reagierten zuerst zurückhaltend, ließen sich dann aber von der Farbigkeit des Geschehens gefangen nehmen und riefen letztlich immer wieder: »Zugabe, Zugabe!«

Sehr reizvoll ist das Bühnenbild von Ulrike Reinhard, sind die Kostüme von Heide Schiffer-El Fouly. Die Musik von Thomas Zaufke stellt ziemliche Anforderungen an das Darstellerteam, denen dieses jedoch spielend gerecht wird. Besonders die Arie der Königin ist ein echter »Leckerbissen«, Ilka Sehnert präsentiert sie mit Verve. Doch auch Lynne Williams, Kathrin Unger, Silvia Bitschkowski, Joachim Benoit, Tilmann von Blomberg, Klaus Brantzen sind erstklassig.

Ein ausgefallenes Theatererlebnis, das sich auch die Eltern nicht entgehen lassen sollten.

Lona Chernel