2002/2003
Die Meuterer von der Bounty 11 +
von Marc Pommerening
Musik von Alexander Kukelka
Uraufführung
Stückinfo
Ort: | Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien |
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Zeitraum: | 31. März 2003 - 03. Mai 2003 |
Premiere: | 02. April 2003 |
Regie: | Christian von Treskow |
Das Jahr 1789 hat sich in die Menschheitsgeschichte als das Jahr der Revolution eingegraben. Während die französische Bevölkerung das verhasste Staatsgefängnis stürmt, findet an Bord eines britischen Schiffes, der »Royal Bounty«, eine Revolte statt, die im Mikrokosmos Schiff vieles von dem vorwegnimmt, was in Frankreich Geschichte wird.
Der junge Seekadett Byrne befindet sich gemeinsam mit weiteren 40 Mann auf seiner ersten Fahrt auf hoher See, als die historisch verbürgte Konfrontation zweier Männer stattfindet: Captain William Bligh und sein Erster Offizier Fletcher Christian setzen einander ihre Sicht von Disziplin, persönlicher Freiheit und Menschenwürde gegenüber.
Der Konflikt resultiert aus ökonomischen Zwängen und Terminen, die im Sinne der Auftraggeber einzuhalten sind. Anders als Captain Cook, dessen Aufgabe wenige Jahre vorher noch darin bestanden hatte, fremde Länder und Kulturen zu entdecken, ist der Auftrag der »HMS Bounty« klar festgeschrieben: Sie soll für den englischen Thron die Brotfrucht importieren.
Nachdem die Besatzung den ganz anderen Lebensentwurf der Tahitianer kennen gelernt hat, kulminiert die Situation, und der Gedanke an eine Meuterei reift.
Es folgt ein Kampf auf Leben und Tod, der für den Kadetten Byrne rigide Konsequenzen nach sich zieht: Wie alle anderen Besatzungsmitglieder muss er sich zwischen Loyalität zu Captain Bligh und Freundschaft zu Fletcher Christian entscheiden. Mit Byrne sieht der Zuschauer die vielfältigen Hierarchien auf dem Schiff; er erwägt Für und Wider der Meuterei mit all ihren Konsequenzen, erlebt und durchleidet Entscheidungsprozesse in Extremsituationen.
Besetzung
Captain William Bligh | Horst Eder |
Fletcher Christian, Erster Offizier | Bernhard Majcen |
Byrne, Seekadett | Andreas Erstling |
Heywood, Seekadett | Simon Jaritz |
Baccus, Schiffsarzt | Johannes Kaiser |
Nelson, Botaniker | Herbert Pendl |
Mr. Samuels, Faktotum | Thomas Bauer |
Fryer, Steuermann | Georg Schubert |
Adams "Der ewige Seemann" | Uwe Achilles |
Wächter | Peter Steiner |
Regie | Christian von Treskow |
Bühnenbild | Jürgen Lier |
Kostüme | Bernadette Weber |
Lichtgestaltung | Rainer Casper |
Dramaturgie | Gerald Maria Bauer |
Assistenz und Inspizienz | Kathrin Lebisch |
Dramaturgieassistenz | Gisa Fellerer |
Kritiken
Kurier – 05.04.2003Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Eines vorweg: Es ist keine Abenteuergeschichte im herkömmlichen Sinn, die Autor Marc Pommerening und Regisseur Christian von Treskow mit »Die Meuterer von der Bounty« für das Theater der Jugend erzählen. Denn Pommerening und Treskow nützen den auch oft verfilmten Stoff für eine grandiose Studie über Macht, Abhängigkeit und soziale Tristesse.
Schon Jürgen Liers Bühnenbild gibt die Richtung vor: Wir befinden uns im Museum, wo Gewehre, Speere, ein Sandhaufen, eine Kommandobrücke und ein Miniatur-Modell eines Schiffes von den großen Zeiten des britischen Empires künden. Hier erhält Kapitän Bligh (glaubhaft im Festhalten an einstigen Idealen: Horst Eder) den Auftrag, die so genannte »Brotfrucht« von Tahiti nach Jamaica zu verpflanzen. Das Schiff heißt Bounty. Der Geschäftsmann Fletcher Christian (im Anzug, mit Siegelring und darstellerisch intensiv: Bernhard Majcen) reist zur Kontrolle mit.
Doch nach der Landung auf Tahiti ist alles anders. Die Mannschaft hat ein Paradies gesehen. Fernab von ökonomischen Zwängen, vom Diktat der Politik und Macht. Die Meuterei gegen Bligh bricht aus. Und der unnahbare Fletcher Christian muss als Führer wider Willen ein Schiff und auch die Kameraden lenken. Die Suche nach dem verlorenen Glück beginnt.
Bewusst konterkariert die Musik von Alexander Kukelka den mit vielen Formen der Sprache (und auch des Theaters) virtuos spielenden Text. Sehr präzise führt Regisseur Treskow das bis in die Nebenrollen ausgezeichnete Ensemble durch alle dramaturgischen Stürme. Brillante Charakterstudien illustrieren das ambivalente Verhältnis des Individuums zur Obrigkeit. Ohne »pädagogischen Zeigefinger«, dafür mit umso mehr theatralischem Gespür. Sehenswert.
Peter Jarolin
Kronen Zeitung – 04.04.2003
Träume von der Freiheit
Ein Stück mit Hang zur Moralpredigt ist es zum Glück nicht, aber als purer Spaß kann Marc Pommerenings »Die Meuterer von der Bounty« auch nicht herhalten: Er schaut hinter die Fassaden der Abenteuerlust und enthüllt Autoritäten -- und lässt doch wieder von schönerer Welt, von besseren Menschen träumen.
Von Südseezauber keine Spur: Kapitän Bligh und seine Männer segeln zwar nach Tahiti um des Brotfruchtbaumes willen, aber Pommerenings Version der Geschichte für das Renaissancetheater blickt ohne Nostalgie ins 18. Jahrhundert. In eine Zeit, in der Gehorsam viel und ein Menschenleben wenig zählte. Dazu nützt er geschickte Wortspiele und setzt auf ein Ensemble, das mit Matrosenliedern (Musik: Alexander Kukelka) auch die traurigen Seiten der Seele zeigt.
Regisseur Christian von Treskow stellt die Schauspieler rund um Bernhard Majcens Fletcher Christian auf ihre Posten. Er lässt Kapitän Blighs (Horst Eder) latente Gewalttätigkeit spüren, aber Böses wie die Schläge für den von Freiheit in der Südsee träumenden Kadetten Heywood (Simon Jaritz) im Hintergrund passieren. Ungewöhnlich und ohne Romantik ist dabei der Rahmen, Jürgen Liers Bühnenbild: Man glaubt sich in einem ethnographischen Museum! Gewehre, Speere, Masken und ein Schiffsmodell der Bounty an Wänden und in Vitrinen ergeben einen subtilen Blick in die Vergangenheit. Und diese Dinge verstärken die Lust, über die Nachfahren der Meuterer auf der pazifischen Insel Pitcairn nachzulesen.
Thomas Gabler