2023/2024
Im Panoptikum des Franz K. 13 +
aus den Tagebüchern Franz Kafkas
für die Bühne eingerichtet von Gerald Maria Bauer
Mitarbeit Sebastian von Lagiewski
Stückinfo
Ort: | Theater im Zentrum, 1010 Wien, Liliengasse 3 |
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Zeitraum: | 10. Januar 2024 - 20. März 2024 |
Premiere: | 12. Januar 2024 |
Dauer: | 02:30 inkl. Pause |
Regie: | Gerald Maria Bauer |
»2. August. Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. – Nachmittag Schwimmschule.«
Franz Kafka. »Tagebücher 1914«
Man kennt ihn für die einprägsamen Darstellungen des ausgelieferten Individuums im aussichtslosen Kampf gegen ein übermächtiges Kollektiv: Die Rede ist von Franz Kafka, der von 1933 bis 1945 in der Liste verbotener Autoren der NS-Diktatur als »Erzeuger von schädlichem und unerwünschtem Schriftgut« angeführt wurde und der vor genau hundert Jahren in Klosterneuburg starb.
Und in der Tat ging Kafka mit seinen surreal skurrilen Szenarien einer zentralen Frage nach, die uns alle beschäftigt: Wo ist mein Platz in der Gesellschaft?
Weniger bekannt als seine literarischen Texte sind hingegen seine Tagebücher, die er zwischen 1909 und 1923 führte. Bedeutend mehr als eine bloße autobiographische Selbstbetrachtung, eröffnen sie einen neuen Blick auf den Prager Schriftsteller. Sie zeigen nicht nur einen düster verstimmten jungen Mann mit Vaterkonflikt, sondern einen mitunter sehr hoffnungsfrohen, komisch-ironischen und dem Sinnlichen zugewandten Franz Kafka, wie man ihn fallweise nicht erwartet.
Seine bisweilen verfremdeten Darstellungen von einer Welt, wie wir sie kennen, und das Aufbrechen unserer Wahrnehmungen führen nicht selten zu einem neuen Verständnis von vermeintlich Alltäglichem.
Durchwoben mit fiktionalen Geschichten bringen die Tagebücher die thematische Essenz seiner literarischen Schriften zum Ausdruck und offenbaren einen abgründigen Kosmos, der den Begriff »kafkaesk« um viele neue Nuancen erweitert.
Aufführungsrechte: Theater der Jugend, Wien
Besetzung
Franz K. | Jasper Engelhardt |
Der K. / Gregor Samsa | Valentin Späth |
Hermann K. / Der Maler Titorelli / Anton Kuh | David Fuchs |
Felice / Milena Jesenská | Sophie Aujesky |
in weiteren Rollen | Ensemble |
Regie | Gerald Maria Bauer |
Ausstattung und Licht | Friedrich Eggert |
Dramaturgie | Sebastian von Lagiewski |
Assistenz und Inspizienz | Eva Maria Gsöllpointner |
Hospitanz | Lukas Spring |
Kritiken
KIJUKU - Kinder Jugend Kultur und Mehr – 15.01.2024Textlawinen in kafkaeskem Stiegen-Labyrinth
In einem verwinkelten Gewirr aus Treppen, sämtliche Wände mit – in Summe rund 2700 – Ordnern vollgeräumten lebendig gewordenen dreidimensionalen M.C-Escher-artigen Bild agieren vier Schauspieler:innen „Im Panoptikum des Franz K.“ (Ausstattung und Licht: Friedrich Eggert). Zweieinhalb Stunden laufen sie treppauf, treppab, umkurven diese hin und wieder, Momente des Rastens gibt es – gefühlt -selten. Dabei zitieren sie aus Tagebucheinträgen und Briefen Franz Kafkas, dessen Todestag sich heuer (im Juni) zum 100. Mal jährt. Weshalb vor allem Theater die wenigen Stücke und andere Annäherungen an den akribischen Autor , der mit fast allem was er geschrieben hat, unzufrieden war, auf die Bühnen bringen.
Atmosphäre
Noch bevor Burgtheater („Die Verwandlung“), NÖ Landestheater („Der Prozess“), Rabenhoftheater (Maurer.Kafka.Komisch) spielen, feierte das Theater der Jugend in seiner kleineren Spielstätte (Theater im Zentrum in der Wiener Innenstadt) umjubelte Premiere mit dem „Panoptikum“. „Versuch, „kafkaesk“ spür- und erlebbar zu machen“, titelte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… die Reportage über einen Probenbesuch in den Winterferien. Im Interview mit dem Regisseur – Links zu beiden Berichten am Ende dieses Beitrages – lobte dieser das Schauspiel-Team, das sich auf diese schiere Bergwerks-Arbeit eingelassen hat, „aber ich weiß noch nicht, was es wird“, gestand Gerald Maria Bauer da.
Nun ist das Werk fertig. Die zweieinhalb Stunden (eine Pause) versuchen tatsächlich eine Atmosphäre zu schaffen, wie sie der – erst spät nach seinem Tod berühmt gewordenen Autor – in seinen Werken schuf und offenbar auch selbst erlebt hat – bzw. nicht zuletzt auch andere rund um sich erleben ließ. Verlobung mit Felice Bauer, Brief an deren Vater, dass die Beziehung seiner Tochter nicht guttun würde, Entlobung, wieder Verlobung. Nur als ein Beispiel.
Widersprüchliche Person
Schreibwut einerseits (8000 Seiten hat Kafka geschrieben), oft aber auch Schreibblockade – wie Tagebuchnotizen zeigen. Verzweiflung, nicht zum Schreiben zu kommen, wegen seiner Arbeit in der Arbeitsunfall-Versicherung. Andererseits sorgfältige Arbeit dort – samt häufigen Lokalaugenschein-Besuchen in Fabriken und Arbeitsstätten (kommt im Stück nicht, aber in den Tagebüchern mehrmals vor). Hadern mit seiner Erziehung – harmlos ausgedrückt.
Einbau von Stücken in das Stück, unter anderem wird eine der Ordnerwände nach Rumpeln zerstört, ein riesiger Käfer bricht durch – „Die Verwandlung“. (...)
Die Schauspieler:innen
Szenen mit Zitaten aus „Der Prozess“. Und praktisch fast dauer-unglücklich, unzufrieden mit der eigenen Arbeit – fast mit einem Schuss Lust am Scheitern. Jasper Engelhardt ist Franz K. Aber nicht nur er ist Kafka, zeitweise verdoppelt Valentin Späth (der auch den Verwandlungs-Käfer gewordenen Gregor Samsa spielt) den K. in einem Mittelding aus Erzähler und doch Kafka-Sein. Sophie Aujesky ist als Felice Bauer präsent aber oft auf angefangene Sätze abgestoppt und schlüpft in einer Art Prolog in die Rolle der viel zu wenig bekannten Journalistin und Schriftstellerin Milena Jesenská. Mit David Fuchs (auch Kafkas Vater Hermann K. sowie der Maler Titorelli und Der Landarzt) als Schriftsteller und Journalist Anton Kuh besprechen sie die kurze Notiz über Kafkas Tod im Sanatorium Kierling bei Klosterneuburg bei Wien.
Eher für Eingeweihte
Für jene, denen Kafkas Leben, das eine oder andere Werk schon einmal untergekommen ist, idealerweise sogar ein bisserl mehr, bietet sich die Gelegenheit in dieses Panoptikum einzutauchen. (...) Möglicherweise ist die Atmosphäre auch das Wichtigere als die Textlawinen. (...)
Follow@kiJuKUheinz
kijuku.at/buehne/textlawinen-in-kafkaeskem-stiegen-labyrinth/
Heinz Wagner
Online Merker – 13.01.2024
WIEN / Theater der Jugend: IM PANOPTIKUM DES FRANZ K.
WIEN / Theater der Jugend / Theater im Zentrum: IM PANOPTIKUM DES FRANZ K. Aus den Tagebüchern Franz Kafkas Für die Bühne eingerichtet von Gerald Maria Bauer Mitarbeit Sebastian von Lagiewski Uraufführung Premiere: 12. Jänner 2024
Es ist Franz Kafka-Jahr. Übrigens auch Hugo von Hofmannsthal-Jahr, Karl Kraus-Jahr, Mayröcker-Jahr, um nur die Berühmtesten unter den österreichischen Dichtern (und Kafka entstammte schließlich der Monarchie) zu nennen. Da steht uns noch einiges bevor. Kafka-Jahr also. Der am 3. Juli 1883 in Prag Geborene starb vor hundert Jahren, am 3. Juni 1924, in einem Sanatorium in Klosterneuburg-Kierling an Lungentuberkulose, kurz vor seinem 41. Geburtstag. Seine Romane „Der Prozeß“ und „Das Schloß“ sind nicht zuletzt durch die Verfilmungen bekannt, die berühmteste seiner Erzählungen ist wohl „Die Verwandlung“. Fürs Theater hat er nie geschrieben.
Das bedeutet allerdings nicht, dass man ihm nicht auf der Bühne begegnen wird – schon nächste Woche zeigt das Burgtheater eine Dramatisierung der „Verwandlung“, Den Startschuß gab allerdings das Theater der Jugend, das in Gerald Maria Bauer offenbar einen leidenschaftlichen Kafka-Verehrer hat. (...) Bauer stützt sich neben Briefen vor allem auf die Tagebücher Kafkas, die nur in geringem Ausmaß Aufzeichnungen über reale Ereignisse sind, sondern eine geradezu schmerzlich-peinigende Selbstbefragung. Kein Theatertext, aber verteilt auf vier Schauspieler kann man durchaus einige Dramatik daraus schlagen. Zumal in einem so fabelhaften Bühnenbild wie dieser Welt aus Aktenordnern und Treppen, die Friedrich Eggert auf die Bühne des Theaters im Zentrum gestellt hat – eine überzeugendere Ausstattung hat man lange nicht gesehen. (...) In seiner Leidenschaft, die irre, wirre innere und äußere Welt des Franz Kafka adäquat auf die Bühne zu bringen, lässt Bauer die vier Darsteller ununterbrochen treppauf, treppab über die Bühne hetzen, ein logistisches Meisterstück (...)
Der zweite Teil fällt dann entschieden besser aus, weil ruhiger, weniger Wahnsinns-Action, was den Schauspielern und dem Publikum Konzentration auf Text und Sprache erlaubt. Auf die Geschichte der unglücklichen Beziehung zu Felice Bauer, auf die sich Kafka ehemäßig doch nicht einlassen wollte, folgt dann eine große „Portion“ seines Romans „Der Prozeß“ (...) Und Passagen aus dem „Landarzt“ führen dann (...) auf Kafkas tragischen Tod zu…
Gerald Maria Bauer hatte ein aufopferndes Darsteller-Quartett, die sich in ununterbrochenem Tonfall- und Rollenwechsel ebenso verausgabten wie in den geradezu sportlichen Fähigkeiten, die ihnen die Hatz auf der Bühne abverlangte. Sie alle waren gelegentlich „Franz K.“, wobei Jasper Engelhardt noch den Vorzug hatte, dem originalen Franz Kafka tatsächlich ähnlich zu sehen. Valentin Späth durfte u.a. Gregor Samsa sein, David Fuchs fiel gelegentlich Vater Kafka zu, und als einzige Frau war Sophie Aujesky neben viel anderem natürlich Felice Bauer. Ein fabelhaftes Virtuosenquartett. (...) stürmischer Jubel bei der Premiere.
Renate Wagner
Salzburger Nachrichten / APA – 13.01.2024
Theater der Jugend zeigt szenische Annäherung an Franz Kafka
Leben und Werk des Dichters Franz Kafka in einem einzigen Theaterabend zumindest so anzureißen, dass man die Basisinfo vermittelt bekommt und Lust verspürt, diese mit eigener Lektüre zu vertiefen - das ist offenbar das Anliegen des Chefdramaturgen des Wiener Theaters der Jugend, Gerald Maria Bauer. Seine szenische Annäherung "Im Panoptikum des Franz K." - empfohlen für Menschen ab 13 Jahren - hatte am Freitagabend im Theater im Zentrum Premiere (...)
Ausstatter Friedrich Eggert setzt auf labyrinthisches Büroambiente, schließlich sind Kafkas Erzählungen und Romane u.a. als Auseinandersetzungen mit anonymen, bürokratischen Mächten, denen nicht beizukommen ist, bekannt. Der von Stiegen, Schreibtischen und unzähligen Aktenordnern geprägte Raum ist von der Idee her überzeugend (...) Hier ist Franz K., von Jasper Engelhardt überzeugend als immer wieder an sich und seiner Umgebung verzweifelnder Schmerzensmann dargestellt, als Versicherungsbeamter zugange, hier müht er sich mit seinen eigenen Schriften ab, hier führt er Tagebuch und schreibt Briefe.
(...) Wenn etwa die Schilderung des Schulwegs in Begleitung der Köchin, die droht, Franz beim Lehrer anzuschwärzen, klar macht, mit welchen Ängsten schon der Bub zu kämpfen hatte (die mit dem "Brief an den Vater" Weltliteratur gewordene traumatisierende Vaterbeziehung wird nur gestreift), dann entsteht ebenso Beklemmung wie beim Anspielen der Eingangsszene von "Der Prozess". (...) Auch "Der Landarzt" hat - in Gestalt des in mehreren Rollen agierenden David Fuchs - seinen Auftritt. Ansonsten konzentriert man sich auf bekannte Dokumente aus Kafkas Leben: Der Brief eines empörten Lesers, dessen Cousinen "Die Verwandlung" nicht verstehen, wird ebenso eingearbeitet wie die berühmte Tagebuch-Eintragung "2. August. Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. - Nachmittag Schwimmschule" oder Kafkas Brief an den Vater von Felice Bauer, in dem er vor sich selber warnt. Sophie Aujesky verkörpert diese mögliche Lebenspartnerin des in vielen Liebes- und Lebensfragen wankelmütigen Dichters. (...)
Nach der vernichtenden Diagnose einer Lungentuberkulose geht es im Theater im Zentrum für Franz K. dann doch recht schnell zu Ende. Der Abend endet mit dem an Max Brod geschriebenen letzten Willen, alle seine Briefe und Manuskripte mögen nach seinem Tod unverzüglich verbrannt werden. Die Weigerung, diesen Wunsch zu erfüllen, hat Literaturgeschichte geschrieben.
"Im Panoptikum des Franz K." vermittelt den Eindruck eines innerlich zerrissenen und unglücklichen Menschen, der mit dem eigenen Tun unzufrieden war. Schon am kommenden Mittwoch versucht Kabarettist Thomas Maurer im Rabenhof, eine andere Facette Kafkas zu betonen und den Schriftsteller als Meister der grotesken Komik zu würdigen. Das Kafka-Jahr hat begonnen. Es verspricht, abwechslungsreich zu werden.
Wolfgang Huber-Lang
Materialien
Unsere theaterpädagogischen Materialien zu »Im Panoptikum des Franz K.« bieten Ihnen Informationen, Fragebögen, Spiele und Szenenvorschläge! So können Sie die besuchte Aufführung mit Ihrem Kind oder Ihrer Klasse auf fantasievolle Weise vor- und nachbereiten.
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