2014/2015
Schlagzeug im Kopf 6 +
von Christian Giese
Stückinfo
Ort: | Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien |
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Zeitraum: | 10. Februar 2015 - 08. März 2015 |
Premiere: | 13. Februar 2015 |
Dauer: | 02:10 |
Regie: | Frank Panhans |
»Lehrerin: Dennis, wir melden uns,
Christian Giese. Schlagzeug im Kopf
wenn wir was sagen wollen.
Dennis: Du auch?
Lehrerin: Bitte?
Dennis: Meldest du dich auch,
wenn du was sagen willst?
Lehrerin: Nein, natürlich nicht.
Dennis: Aber du hast doch gesagt, wir.
Bist du nicht wir?«
Dennis ist eine wahre Nervensäge! Er kann nicht ruhig sitzen, hat seine Klappe immer offen, plaudert jedes Geheimnis aus, stört während des Unterrichts, und wo er hinkommt, geht irgend etwas zu Bruch. – Kurzum: Dennis ist eine Plage für Lehrer und Mitschüler. Unter den Eltern der anderen Kinder hat sich bereits eine massive Front gegen ihn gebildet, die nur eines zum Ziel hat: Dieser »Zappelphilipp« muss von der Schule!
Wenn er dann nach dem Unterricht nach Hause kommt, kratzt Dennis an den Nerven von Sabine und Bernd, seinen Eltern, munter weiter. Und das, obwohl ihnen die eigene Überforderung schon lange anzusehen ist! Was tun mit jemandem, der offenbar nicht zuhören will und überhaupt kein Vermögen besitzt, jene Gefahren abzuschätzen, in die er sich begibt?
Dabei will der Junge eigentlich nur eines: Freunde gewinnen und ein ganz normales Leben führen.
Aber Dennis kann nicht so einfach sein Verhalten ändern, für das die Ärzte schon eine eigene Bezeichnung gefunden haben. Doch wie sollen Lehrer, Mitschüler, Geschwister und Eltern mit einem hyperaktiven Menschen umgehen? Ob Beruhigungsmittel tatsächlich der Weisheit letzter Schluss sind?
Am ehesten kommt er mit Patrizia klar. Denn das Schwesterherz hat selber viele Flausen im Kopf, was ihren Berufswunsch betrifft: Sie will Zirkusartistin werden. Durch sie taucht der kleine Bruder in eine Welt mit scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten ein, die ihn zum ersten Mal wahrhaftig in Staunen versetzt! Vielleicht wartet im Verborgenen ja doch noch eine ganz andere Lösung…
Aufführungsrechte: Verlag Autorenagentur GmbH, Berlin
Besetzung
Dennis Neugebauer | Stefan Rosenthal |
Lukas Meinecke | André Haedicke |
Jana Härtel | Felicitas Franz |
Sabine Neugebauer, Dennis´ Mutter | Pilar Aguilera |
Bernd Neugebauer, Dennis´ Vater / Laszlo Glodeck, Zirkustrainer | Michael Moritz |
Patrizia Neugebauer, Dennis´ Schwester | Anna Kramer |
Gerlinde Gärtner, Lehrerin | Stephanie K. Schreiter |
Moritz Marx / Herr Meinecke, Lukas´ Vater | Jürgen Heigl |
Cover Moritz Marx | Nicolas Charaux |
Ärzte | Ensemble |
Regie | Frank Panhans |
Bühne und Licht | Jan A. Schroeder |
Kostüme | Andrea Bernd |
Akrobatiktraining / Clownnummer | Michael Moritz |
Einstudierung Vertikaltuchnummer | Nora Summer |
Musik und Lieder | Thomas Zaufke |
Musikalische Einstudierung, Korrepetition | Sue-Alice Okukubo |
Schlagzeug Coach | Bernd T. Rommel |
Dramaturgie | Marlene Schneider |
Assistenz und Teilinspizienz | Eva Maria Gsöllpointner |
Hospitanz und Teilinspizienz | Rostyslav Samonov |
Hospitanz | Gloria Natalie Antel |
Kritiken
Wiener Zeitung – 18.02.2015Zappel nicht, hampel nicht - sei endlich ruhig!
Dennis ist ein Kind, das nicht zur Ruhe kommt: Ständig ist er in Bewegung, Arme und Beine zappeln, er macht Faxen, zieht Grimassen. Wenn ihn etwas aufregt, wird er schnell aggressiv. Da bekommt selbst der beste Freund eine blutige Nase.
Hyperaktiv, impulsiv, aufbrausend - früher hätte man so ein Kind Zappelphilipp genannt, mittlerweile gibt es die etwas umstrittene Diagnose Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) - samt nicht minder umstrittener Therapie mit der Ruhigsteller-Pille Ritalin.
Manege frei
Christian Giese, Schauspieler am Berliner Kindertheater Grips, hat zu diesem Thema ein kurzweiliges und zugleich klug ausdifferenziertes Stück ("Die Faxen dicke") verfasst, das 2005 von Frank Panhans in Berlin uraufgeführt wurde. Nun bringt Panhans, der seit vielen Jahren als Regisseur und Schauspieler zwischen Grips und Theater der Jugend pendelt, das Stück erneut, allerdings unter dem Titel "Schlagzeug im Kopf", im Wiener Renaissancetheater heraus. Temporeich und überaus lässig ist das zweistündige Musiktheaterstück für Kinder ab sechs geraten.
Besonders gut gelaunt kommen die Zirkusszenen daher: Dennis (eine Wucht: Stefan Rosenthal) findet in einem Kindermitmachzirkus Freunde und Förderer. Sein Auftritt als Clown ist eine gekonnte Lachnummer inklusive Einradfahrt und Jongliertricks, auch Anna Kramers akrobatische Einlage am Vertikaltuch beeindruckt: Manege frei!
Petra Paterno
Der Standard – 20.02.2015
Zirkustherapie für Zappelphilipp - Theater der Jugend: ADHS-Stück "Schlagzeug im Kopf"
Dennis hat einen Kopf voller Ideen, die ohne Unterlass aus ihm heraussprudeln. Das kann für seine Familie, Lehrer und Mitschüler ziemlich nervig sein. Doch auch Dennis (Stefan Rosenthal) leidet, wenn er sich unverstanden fühlt. Dann geht die Wut mit ihm durch und eine Tür oder ein Nasenbein zu Bruch. Die Ärzte diagnostizieren ADHS, eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Doch wie dem Zappelphilipp helfen - da gehen die Meinungen auseinander.
Christian Giese, Autor des Stücks Schlagzeug im Kopf, scheint eine klare Meinung zu haben. Während Mama und Papa (Pilar Aguilera und Michael Moritz) uneins sind, ob Medikamente oder eine Familientherapie für ihren Sohn das Beste wären, stellt Giese der harten Wirklichkeit von Wohn- und Klassenzimmer noch einen Zirkus als dritten Handlungsort gegenüber. Dort verbietet der Direktor Dennis nicht nur die Einnahme von "Drogen", sondern gibt dessen Lehrerin (Stephanie Katharina Schreiter) auch Tipps, wie sie den Unterricht unterhaltsamer gestalten könnte. Trommelwirbel, Tusch, Applaus!
(...) Die mit einem drehbaren Vorhang und wenigen Rollmöbeln schlicht gehaltene Bühne (Jan A. Schroeder) wird dank der gut trainierten Darsteller zu einer veritablen Manege mit Clowns, einer Vertikaltuchnummer (Anna Kramer als Dennis' Schwester) und gar einem sechsbeinigen Löwen. Obendrein gibt's Musiknummern auf die Ohren. (...)
Dorian Waller
www.musical_co.net – 17.02.2015
Schlagzeug im Kopf vom Theater der Jugend im Renaissancetheater Wien - Virtuoses Spiel voll Ideen und Emotionen
Renaissancetheater Wien am 13. Februar 2015
Was stellt man an mit einem sogenannten Zappel-Philipp, wenn er wieder unberechenbar wildes anstellt, Sachen zerstört oder Menschen angreift? Eigene Mitschüler mobben ihn, deren Eltern werfen ihn aus der Schule und Ärzte drängen auf benebelnde Drogenmedizin. Und nun? Was tun, wenn in Dennis Neugebauer beständig ein „Schlagzeug im Kopf“ verrückt spielt und alle um ihn herum seine „Faxen dicke haben“, wie der ursprüngliche Titel des Stücks mit Liedern vom Grips-Theater Berlin heißt. Die österreichische Erstaufführung inszenierte für das Theater der Jugend Frank Panhans im Renaissancetheater Wien.
Autor Christian Giese stellt beständig die Fragen, ob schnelle Diagnosen zu schlauen Lösungen führen. Vielmehr ist ein unbequemer, individueller Weg zu finden? Thomas Zaufke steuerte einige Lieder bei, die die Situation der Protagonisten verdeutlichen. Ganz unterschiedliche, eigenständige, emotionale und temporeiche Lieder, die eher zusätzlich zur Szene stattfinden, was den Fluss der Aufführung etwas verzögert.
„Schlagzeug im Kopf“ ist ein Ensemblestück, wo acht Darsteller auch Doppelrollen spielen – und das virtuos! Sowohl das Spiel untereinander ist wunderbar, aber auch der Hauptdarsteller Stefan Rosenthal weiß als unglücklicher Dennis zu berühren. Eine herausragende Leistung. Dazu spielt er auch so überzeugend und unpathetisch einen jungen, suchenden, etwas verzweifelten Schüler, dass es fast schon authentisch wirkt. Was aber auch auf seine Mitschüler zutrifft.
Ein Spiel im Spiel mit dem Spiel voller Ideen ist das größte Plus. Dazu die rot bzw. sich blau wandelnde Bühne mit Lamellenvorhang und Drehscheibe. Eine extrem schlaue und überzeugende Lösung.
Der Ort, wo Dennis so akzeptiert wird, wie er ist, ist der Kinderzirkus. Dort wird zwar nicht sein großes Schlagzeugertalent entdeckt, wie der Titel auch vermuten ließe, aber Dennis beweist sich mit Moritz als Clownsduo. Alle haben höchst vergnüglich etwas dazu gelernt. Hingehen bis 8. März 2015!
Frank Wesner
KiKu – 17.02.2015
Alle dürfen können, was sie wollen! "Schlagzeug im Kopf" - humorvolles Stück rund um ADHS im Theater der Jugend
Eine Traumrolle zum Austoben - das ist Dennis für Stefan Rosenthal in „Schlagzeug im Kopf“ von Christian Giese in der Regie von Frank Panhans im großen Haus des Wiener Theaters der Jugend (Renaissancetheater, Neubaugasse). Dennis kann kaum ruhig sitzen, außer beispielsweise bei Handy-Games. Da ist er voll konzentriert.
Unbändiger Bewegungsdrang
Das erzählen auch Fachleute von Kids, denen das Krankheits-Symptom ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung) umgehängt wird. In seinem unbändigen Bewegungsdrang eckt Dennis praktisch überall an, macht Eltern und Geschwister fertig, nervt Mitschüler_innen und Lehrpersonen – und wird meist weggewiesen. Von einer Schule in die nächste… Sowohl die wilden, teilweise fast tollpatschigen Szenen, als auch die beinahe melancholischen, sanften, ruhig(gestellt)en kommen voll glaubwürdig rüber.
Das macht Angst
Noch fertiger, wenn es diese Steigerungsstufe denn geben sollte, ist Dennis‘ Mutter (Pilar Aguilera), als ihr Sohn lieb und brav über der Hausübung sitzt, seit er mit Medikamenten voll gepumpt und ruhig gestellt wird. Diese starke Persönlichkeitsveränderung macht ihr wirklich Angst. Damit ist sie, die zuvor vielleicht am meisten vom wilden Ungestüm Dennis‘ abgekriegt hat, aber eine der wenigen, die differenziert gezeichnet und gespielt wird. Vater, Lehrerin, Mitschülerin sind eher klischeehaft, beginnen sich von ihrer Ablehnung des „Verrückten“ erst zu entfernen, als dieser im Zirkus ein neues, erstes Betätigungsfeld findet, in dem er sich wohl fühlt, sein Bewegungsdrang nicht Ärgernis, sondern sogar erwünscht ist.
Witzig
Insgesamt wird auf recht witzige Art und Weise ein in den vergangenen Jahren nicht zuletzt medial hoch gespieltes „Problem“ thematisiert. Was in Kindern, die ihren Bewegungsdrang nicht ausleben dürfen und so oft zum „Störfaktor“ werden, vorgeht, ist nun leichter nachvollziehbar. Die scheinbare Problemlösung durch medikamentöse Ruhigstellung wird hier problematisiert. Auch auf witzige Art in der Krankenhaus-Albtraumszene.
Bewegtes Lernen
Nicht zuletzt summen und singen viele im Publikum mit, wenn eine zentrale Aussage vom Beginn gegen Schluss wiederholt wird: „Nicht immer können alle, was sie sollen, aber alle dürfen können, was sie wollen!“ Und freuen sich, als am Ende nach dem Zirkusbesuch die Lehrerin manche Methoden aus der Manege in die Schule holen will: „Bewegtes Lernen“.
Heinz Wagner
Materialien
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